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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Sache mit größter Ergebenheit der Senatorin gegenüber, und mit viel Umsicht. Einige ihrer Vertrauten, kein einziger ehemals Toter darunter, beobachteten genau, welche der Gäste ihnen ausreichend frei von Geltungsbedürfnis erschienen, um sie darauf ansprechen zu können: Sie möchten sich doch bitte dafür verwenden, die blöden Gerüchte zu zerstreuen.
    »Wer sich wichtig machen will«, erzählte die Senatorin dem zuverlässigen Geheimdienstmann, der sie mit der Sacramento-Nachricht versorgt hatte, »hört, was er sich wünscht.«
    So ging das Spiel: Fangen Sie einen Bumerang aus Seife, im strömenden Regen.
    »Es geht, erzählen Sie das allen, die es hören wollen, hier darum, unsere Kräfte zu sammeln, weil meine Amtszeit als Senatorin 2006 ja schon vorbei sein könnte. Wir müssen vorsichtig sein, aber unseren Witz einsetzen.«
    Vorsicht nützte nichts, der Gummimann fand Gläubige bei Presse und Fernsehen.
    »Ist es denn unmöglich«, fragte der Geheimdienstler, der nicht mochte, wie oft die Toten, die nicht mehr tot waren, seiner Behörde und diversen Schwesterbehörden nicht nur als Inlandsangelegenheit in jüngster Zeit auffällig lästig wurden, »daß Sie doch noch kandidieren? Verstehen Sie mich nicht falsch, nehmen Sie’s nicht als Anmaßung, ich meine nur: Ich würde Sie wählen.«
    Da lachte die Senatorin, und als er insistierte, wurde sie ernst: »Ich habe gesagt, ich kandidiere nicht. Wenn ich sechs fremde Sprachen könnte, würde ich Ihnen das in sieben Sprachen sagen können, okay?«
    Der Geheimdienstmensch gab sich zufrieden. Weil er das aber so gelernt hatte, fuhr er dennoch fort, sich selbst zu fragen, was für ein Essen das gewesen war, in der Nähe von New York City: eins der Aussichten oder eins der Bilanz. Letzteres, sagte ihm ihre Antwort – und immerhin wußte er ja selbst, daß die Gäste als Großspender Anspruch auf so eine Bilanz hatten, schließlich will man wissen, was mit den mindestens 100.000 Dollar, die man im letzten Jahr gespendet hatte, passiert war.
    So sagte er ihr beim nächsten Treffen, in ihrem New Yorker Büro, zu welchem Schluß er gekommen war: »Es war wirklich ein Dankeschön­dinner, nicht wahr? Die Witze haben mich draufgebracht, die Sie und Bill denen serviert haben, als ich mir überlegte, Inhalt hin, Inhalt her: Es waren jedenfalls Witze. Das paßte am besten zum Dankeschön: Man muß ja auch was schmeißen.«
    Die Senatorin schlug die Augen nieder; seit Mädchentagen wußte sie, wie so was ging. Es war sehr bald etwas Politisches daraus geworden, wie bei den Männern die Gesten der kräftigen Hände oder das sturmbereit rausgestreckte Kinn, sic transit.
    »Nun ja, nicht nur ein Dankeschön. Es ging auch um die Zukunft, aber eben, wie behauptet, darum, was ich wohl alles würde machen müssen, um in Zukunft genug Wahlkampfgeld zusammenzukriegen. Wenn ich ehrlich bin, meint das eine Zukunft, die ich noch nicht kenne, aber mir jedenfalls vorbehalte. Und jetzt will ich hören, ob es inzwischen noch mehr Schlimmes zu berichten gibt außer aus Sacramento, in den Vereinigten Staaten.«
    Es gab noch mehr: Las Vegas, Tampa / Florida, New Mexico, und irgendwelche Nester nah bei New Orleans.
    Der Sumpf und die Wüste: dort fing es an.
    2  Wo der Staub verzaubert war, kristallin ocker und glitzernd orange, als hätte ihn die heilige Jungfrau in die heiße Luft geniest, dort, wo Wanderer ihn für Goldstaub hielten und alles, was noch fest da stand, Häuser, Paläste, Bildsäulen, den Betrachter mahnte: Auch wir werden einmal wieder Staub sein, auch du wirst einmal wieder Staub sein – da stieg ein Mädchen in den Bus, das an dieser Stelle der Geschichte noch nicht einmal einen Namen haben darf.
    Ihre Rolle ist eine ganz kleine, für den Augenblick, eine winzige Geschichte in einer größeren mitten in der großen, die ich hier noch nicht wirklich erzählen darf.
    Als das Mädchen in den Bus stieg, brannte die Sonne heißer als seit Jahrzehnten, vielleicht Jahrhunderten. Die große Geschichte, in der die kleinere lag, in welche die winzige eingebettet war, konnte in dieser Hitze kein Mensch erkennen. Nur Staub gab es, winzigste Lichtblitze, ein unterirdisches Rasseln, Rieseln, unter der Wüstenoberfläche, hier draußen, am Rand der heiligen und sündigen Stadt.
    Das Mädchen wollte weg. Es verließ die Stadt nicht alleine, sondern war Teil einer stummen Flüchtlingsbewegung, die sich hier zusammen­fand, wie an vielen anderen Orten der Welt. Mädchen, alte Männer,

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