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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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in Sacramento jetzt die Nationalgarde hatte einsetzen müssen, weil außer den trusty Zombotics im Stillen, Schlimmen und Dunklen offenbar deren ältere Vettern auf den Abfallhalden, an den Freeways, nah den Parkplätzen von Wal-Mart sich seit vielen Monaten nach Mitternacht unkontrolliert vermehrt hatten. Durch Infizieren auf dem Beißweg, hauptsächlich.
    Auf den Armen der Senatorin zeigte sich, was sie darüber dachte; da war eine Gänsehaut.
    »Machst du dir Sorgen wegen Kalifornien? Die Sacramento-News?« wollte der Gatte wissen. Die Senatorin sah in den Spiegel über der teuren europäischen Kommode aus einem Holz, das so rot war wie gebrannte Mandeln. Sie fand den Durchblutungsgrad ihrer Wangen zufriedenstellend. Wenn die Gäste die Gänsehaut nicht beachten, wird alles gut: Ich sehe lange nicht so bleich aus wie befürchtet.
    Der ganze Abend war schließlich dazu da, Vertrauen zu bilden.
    Er sollte erreichen, daß das von New York ausgehende große Ge­rücht um die Senatorin wieder zum Roß wurde und die Senatorin wieder zur Reiterin, statt umgekehrt, wie in den zurückliegenden paar Wochen.
    Die da draußen lachten, die hereingebeten wurden von den Mädchen der Catering-Firma, umsorgt und unterhalten vom Stab der Senatorin, bewacht und beschützt von ihren Sicherheitskräften, dachten sich längst das ihre zum großen Gerücht. Die meisten gingen davon aus, daß die Antwort auf die Frage, in die geschickte Medienvertreter das Gerücht derzeit zu kleiden pflegten, »Nein« lauten mußte, definitiv, ganz sicher, mit größter Entschiedenheit, oder aus dem Politischen ins Menschliche übersetzt: Na ja, kann schon sein, entweder /oder, nichts Genaues weiß man nicht.
    Man redete im »Camp«, unter den Freunden und Unterstützern der Senatorin, so, als würde sie nicht zum Lauf antreten, nicht losjoggen, ach zum Teufel mit den Euphemismen: Man redete, als habe sie nicht vor, im nächsten Jahr das Präsidentenamt im Geschwindschritt zu kassieren.
    »Die Berichte sagen, daß man in Sacramento auch … wie in New Mexico … die weinende Frau gesehen hat. In Träumen.«
    »Wer ist ›man‹?« lachte der Gatte.
    Weiß Gott, die Spitzbubenrolle spielte er noch immer besser als jeder andere.
    »Die Latino-Bevölkerung.«
    »Latino-Ärzte, Latino-Philosophen, Latino-Theologen?« provo zierte er.
    Sie schüttelte den Kopf, etwas verärgert: »Orangenpflücker. Verkäuferinnen. Jobber bei McBurger.«
    »Und alte Weiber«, sagte er obenhin, als wäre die Sache damit gegessen, und stellte das Glas auf der mandelroten Kommode ab. Dann schritt er langsam und gewiegt, wie in angedeutetem Tanz, zur Senatorin, legte ihr die Hände auf den Nacken, massierte ihr gekonnt die Schultern. Das tat er nicht wegen der Liebe, sondern wegen der Kraft seiner Männerhände, die sie dabei nämlich tunlichst spüren sollte, damit die ebenso kraftvolle Unsentimentalität seiner Einstellung zu diesen ganzen weinenden geträumten Frauen sie leichter überzeugte. Alles war nämlich nicht so schlimm, wenn man Kraft hatte.
    Die Senatorin ging nicht darauf ein: »Verstehe. Altweibergewäsch. So tun wir das ab. Es ist aber kein Aberglaube, wenn die Nationalgarde die Überreste von sechshundert in der Wüste verscharrten Leuten findet. Es ist kein Aberglaube, wenn bewaffnete Landesschützer die umherlaufenden, schmatzenden, stöhnenden Überreste von zweihundert weiteren Leuten zusammenschießen müssen, in Fetzen, ihnen die Köpfe kaputtschießen müssen, als wären es Kürbisse, bis sie sich nicht mehr rühren, zu … keinem … Angriff mehr.«
    Die Stimmung des Gatten schlug um, noch während er ihr an den Muskelsträngen knetete. Er ärgerte sich, erst stumm und verbissen, dann stumm und ohnmächtig: Dazu konnte er nichts sagen, da seufzte er lieber nur noch.
    Hundertfünfzig Gäste waren auf allen denkbaren Wegen, sogar aus der Luft, aufs Anwesen in Chappaqua gelangt. Sämtlich handelte es sich dabei um Leute, die entweder der Senatorin oder ihrem Gatten im Lauf der Jahre sehr viel Geld gespendet hatten.
    »Wir müssen da jetzt raus. Uns denen zeigen.« Das grämte sich putzig, als der Gatte seine Stimme wiedergefunden hatte, auch ein wenig um Liebe werbend, wie eigentlich immer, wenn er ostentativ ihrer beider Interesse mit Bedacht auf »Außenwirkung« zu wahren vorgab.
    Außenwirkungswünsche bediente er immer so graziös wie möglich.
    »Das erste Vernünftige, was ich aus deinem Mund heute höre«, sagte die Senatorin müde, aber

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