Für immer in Honig
auch sein mochten, und im übrigen: Man muß ja nachts nicht unbedingt auf die Straße gehen.
Überhaupt war fraglich, ob es Zombies überhaupt gab – waren es nicht eher »Jugendgangs«, marodierende Schwarze und andere Drogensüchtige?
»Das ist dieselbe Sauerei wie bei HIV , déjà vu«, seufzte die Senatorin.
»Da wußten sie auch nix Gescheiteres oder Gesünderes vorzuschlagen als Abstinenz. Im Juli 2001, kannst du dir das vorstellen, Madeleine, haben sie via Health and Human Services die Centers for Disease Control and Prevention aufgefordert, ihre Kondom-Informationen vom Netz zu nehmen. Fast ein Jahr lang waren die dann offline, und als sie wiederkamen, erkannte man sie kaum: keine Rede mehr davon, daß Kondome schützen, keine Rede mehr davon, wie man sie benutzt. Wenn Forscher heute Fördermittel wollen, dann vermeiden sie besser bestimmte Wörter und Wendungen in ihren Anträgen, sonst können sie’s gleich vergessen: ›men who have sex with men‹ gibt es nicht, ›sex worker‹ kann niemand sein, ›needle exchange‹, nein, davon spricht man nicht.«
Die Senatorin und ihr altvertrauter Gast waren beide zu erwachsen und zu vernünftig für die neuesten Moden aus dem Milchkaffee- und Sahneterrorbereich, deshalb tranken sie einen ganz normalen Kaffee, den die ehemalige Ministerin jetzt neu nachschenkte: »Hillary, wir kennen das wirklich alles. Sie kümmern sich eben nicht um Dinge, die ihnen selber nicht passieren können. Sollen die anderen doch verrecken, sind eh pervers oder arm oder schmutzig.«
Die Senatorin trank vom Kaffee, stellte dann die Tasse ab und hob die rechte Hand vors Gesicht, als schämte sie sich für etwas, Handspanne weit gedehnt von kleinen Muskeln, damit sie sich mit Daumen und Zeigefinger die Schläfen reiben konnte.
Die ehemalige Ministerin räusperte sich, sah zu Boden, auf den schönen persischen Teppich und seine in sich selbst verschwindenden irren Ornamentwürmer.
Dann blickte sie die Senatorin an, als diese gerade die Augen öffnete.
»Ich bin müde. Ich bin viel zu müde für das, was da kommt.«
»Ich seh’s. Und ich kann es nicht billigen, wenn ich ehrlich bin. Was ist denn mit dir passiert? Wo ist die Frau, die uns 1992 in Camp David alle aus unserer Erschöpfung rausgeredet hat – erinnerst du dich? Wir wollten uns nur noch ausruhen, wir hatten gewonnen, wir wären alle entkräftet von den Sofas gepurzelt, wenn die First Lady uns nicht hypnotisiert hätte, mit all den Aufgaben und Plänen und Chancen, alles sollte anders werden, alles würde unbedingt …«
»Ich fühle mich einfach nicht mehr so. Schon lange nicht mehr. Ich bin nicht mehr … Ich fühle mich eher wie die Last Lady.«
Die ehemalige Ministerin lachte, es kam aus Seelentiefen voll Reserven, war sehr nötig.
Denn jetzt lachte die Senatorin mit, und das war ein guter, ein anderer Anfang für die Zeit der allerschwersten Aufgaben.
4 Ein Mann, der die Geschichten von den W sehr falsch verstanden hatte, die seine bösen Geister ihm pausenlos erzählten, ein Mann, der auch die Geschichten und Berichte von den hungrigen Toten, die in Höhlen und am Waldrand bei der Kläranlage hausten, obwohl die Polizei und sogar das Militär dort schon mehrmals Aufräumaktionen durchgeführt hatten, deutlich mißverstand, ein Mann, der überhaupt alles in den falschen Hals bekam, was er über den Zustand der Welt sich in den armen Kopf vermitteln ließ, wurde nach entwürdigendem Hin und Her schließlich von einem japanischen Gericht zum Tode verurteilt, weil er mit einem Küchenmesser in einer Grundschule Amok gelaufen war.
Der vorsitzende Richter hieß Masayuki Kawaai und war froh, daß nicht alles, was neuerdings rund um die Themen Tod und Grauen geschah, aus dem nicht verurteilbaren Jenseits kam, und manches sich sogar bestrafen ließ. Er übergab das Urteil am Kreisgericht von Osaka denen, die es vollstrecken sollten, in Abwesenheit des Angeklagten, der angewiesen worden war, den Gerichtssaal zu verlassen. Das war schon wenige Minuten nach Eröffnung der Sitzung geschehen, denn die abschließende Erklärung, die er unbedingt verlesen wollte und die mit den Toten zu tun hatte, und mit den Lebenden, und mit den W, und damit, daß man zu den W gehören konnte, wenn man sich verhielt wie ein Raubtier, daß man, so man dies tat, mehr werden konnte als ein Mensch, daß man mit etwas Glück ein Auserwählter war, was man aber nur herausfinden konnte, wenn man sich jenseits der Markierung von Gut
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