Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
den Strohhut ab und strich seine Haare nach hinten. Eindeutig gefärbt, stellte Ayse fest.
„Komm mal mit!“ forderte Tölling sie auf und schritt voran zum Haus.
Sie traten über die Terrassentür in ein geräumiges Wohnzimmer, das sehr geschmackvoll mit modernen, schwarzen Ledermöbeln eingerichtet war. Statt einer Schrankwand diente ein weißes Regal als Raumteiler, hinter dem ein großer Ohrensessel zum Lesen und Entspannen einlud. Ayse hatte keine Zeit, sich weiter umzusehen, denn Tölling zog sie in den ersten Stock. Hier schob er sie durch in ein kleines Zimmer, das offensichtlich sein Arbeitszimmer war. Im Gegensatz zu dem, was sie bisher im Haus gesehen hatte, herrschte hier ein wildes Durcheinander. Überall lagen Stapel mit Akten und Papieren herum. Private Photos waren mit Stecknadeln an die Raufasertapete geheftet. Auf einem abgenutzten Schreibtisch stand ein PC, dessen Tastatur man nur unter einem Haufen Papier vermuten konnte. Der Papierkorb war am Überquellen.
„Oh, hier sieht’s nach Arbeit aus!“ staunte Ayse.
„Nicht wirklich. Alles Überreste meiner Arbeit. Ich fange immer mal wieder an, auszumisten, habe dann schon bald keine Lust mehr und lass dann alles stehen und liegen. Aber wir wollen jetzt ja nach dem Lautermann gucken. Wie hieß der mit Vornamen?“
„Heinz.“
Tölling zog eine große Schublade an seinem Schreibtisch auf. Eine prallgefüllte Kartei kam zum Vorschein. Ayse sah, dass sie alphabetisch geordnet und einzelne Hefter mit verschiedenen, farbigen Reitern versehen waren.
„Darfst du so etwas denn überhaupt noch haben?“ fragte sie kritisch. Ihr wurde klar, dass Tölling hier eine Art privater Täterkartei angelegt hatte.
„Die war ja schon im Präsidium nicht mehr erlaubt“, antwortete Tölling und lachte laut auf. „Also musste ich sie doch mitnehmen, oder?“ Er fingerte auf den Aktendeckeln entlang, und plötzlich zog er einen hervor. „Ich wusste doch, dass ich den Namen schon mal gehört hatte. Der ‚Leutnant‘.“
„Der ‚Leutnant‘?“
„Komm, setz dich!“ forderte Tölling Ayse auf und wies ihr einen alten, verschlissenen Fernsehsessel zu. Ayse ließ sich langsam in den Sessel fallen und versank tief in den abgenutzten Polstern.
„Die Schwulen, die schnellen Sex wollen, sich in den Dark Rooms und an den Klappen rumtreiben, haben oft einen Spitznamen. Alles läuft ziemlich anonym ab, aber mit der Zeit kennen die Leute die Spitznamen.“
„Klappen, was ist das denn?“
„Das waren früher die Treffpunkte der Schwulen, als Homosexualität noch weitestgehend verboten war. Unzucht mit Männern, hieß das damals, und dafür konnte man in den Knast gehen. Die Klappen waren meistens Toilettenhäuschen, am Weserstadion oder im Bürgerpark. Dort haben sie sich dann verabredet oder sich gleich gegenseitig einen runtergeholt. Wir mussten damals immer dahin und die warmen Jungs auseinandertreiben und stören. Viele habe ich dann näher kennengelernt. Und einige haben mir versichert, dass sich auch so mancher Kollege dort einen hat blasen lassen!“
„Und Lautermann? Was war mit dem?“ Ayse kam zu ihren Ermittlungen zurück. Sie wollte Tölling nicht zum Schwafeln über Homosexualität bringen, sondern bald wieder zurück ins Präsidium.
„Der war Offizier bei der Bundeswehr. Daher auch sein Spitzname. Hat nie in Beziehung gelebt, sondern hatte häufig wechselnde Geschlechtspartner. Damals jedenfalls hat er Kontakte immer in Pornokinos gesucht. Weißt du, da gehen auch viele Heteros hin und lassen sich mal befummeln. Heute haben die Videokabinen in manchen Sexshops Gucklöcher, wo man seinen Schwanz durchstecken kann, und dann kann da irgendeiner dran rummachen.“
„Ohne dass man weiß, wer es ist?“ fragte Ayse entsetzt.
„Ja, genau. Das ist für viele der Kick. Oder einfach nur praktisch.“ „Steckt man sich da nicht schnell mit etwas an?“ Ayse war fassungslos. Sie konnte darüber nur den Kopf schütteln.
„Ach, ein bisschen Wichsen und Blasen. Was soll da schon groß passieren“, wiegelte Tölling ab. „Bei den Hardcore-Leuten, da sieht das anders aus. Die schieben gleich ihren Arsch vors Loch, und jeder kann rein!“
Das Gespräch begann Ayse auf die Nerven zu gehen. Tölling wurde ihr zunehmend unsympathischer. „Sag mal, redest du immer so, ich meine, mit diesen Kraftausdrücken?“
„Vor Gericht natürlich nicht. Aber unter uns kann ich ja wohl Klartext sprechen, oder?“ Trotz der Kritik schien Tölling nicht verärgert
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