Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
ging langsam aus seinem Büro. Sie schlenderte eine Weile in Gedanken über die Flure des Präsidiums, um die Worte des PP sacken zu lassen. „Er wollte die Untersuchung an sich ziehen und sich gegebenenfalls bei ihr melden.“ Das ließ alles offen. Nun denn, dachte Mechthild. Seine Sache! Jetzt geht es darum, die erweiterte Mordkommission noch einmal an einen Tisch zu holen. Sie erreichte ihr Dienstzimmer und ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder. Dann fuhr sie ihren Computer hoch und kopierte aus einem Verzeichnis die E-Mail-Adressen ihrer Kollegen auf das Adressfeld ihres Kommunikationsprogramms. Sie suchte nach einem geeigneten Termin für die nächste Zusammenkunft. Bevor sie ihre Nachricht versendete, löschte sie Roder aus der Adresszeile.
Der Polizeipräsident wies seine Sekretärin an, sofort einen Gesprächstermin mit Kurt Roder zu organisieren. Logemann war schon vor dem Gespräch mit Mechthild klar, dass eine weitere Zusammenarbeit zwischen ihr und Roder nicht in Frage kommen konnte. Ein solcher Vorfall war ein Grund für ewige Feindschaft. Aber sie war kein Mann, sondern eine Frau. Da lag der Fall anders. Nach Logemanns Erfahrung entschieden sich Frauen oft für einen sanfteren, kompromissbereiteren Weg. In der vorliegenden Situation war er sich jedenfalls sicher, dass dieser Weg nicht funktionieren konnte. Somit war er froh, dass sie sich für eine Trennung entschieden hatte. Die Frage einer Untersuchung gegen Roder hatte er sich auch schon beantwortet. Es konnte keine geben. Erstens hatte der PP ein Gefühl dafür, wenn irgendetwas an einem Fall „geschoben“ worden war. Und hier ging er eindeutig davon aus. Zum anderen konnte Roder eine Untersuchung gegen ihn in die Öffentlichkeit lancieren und damit der Polizei schaden. Schließlich hätten sie den Täter ja einen Tag früher festnehmen können und dadurch eventuell Leben retten können. Dieses Bild der Polizei durfte nicht in der Bevölkerung entstehen. Trotzdem war er entschlossen, Roder mit einem drohenden Disziplinarverfahren unter Druck zu setzen, um dann davon abzusehen, wenn Roder sich bereit erklärte, in ein anderes Kommissariat zu wechseln. Ja, so könnte es gehen. Alles würde ruhig und ohne Aufsehen arrangiert werden.
2. Januar des darauffolgenden Jahres.
Die Band Girls Aid hatte am Silvesterabend ein erfolgreiches Konzert in der Alternativ-Diskothek Tower hingelegt. Während sie den Neujahrstag damit verbringen mussten, ihren Rausch auszuschlafen und einen netten Weg zu finden, die mitgenommenen Groupies wieder loszuwerden, waren sie heute an den Veranstaltungsort zurückgefahren und hatten ihr Equipment eingepackt. Jetzt waren sie dabei, ihre Sachen wieder zurück in den Probenraum in den Bunker Auf der Muggenburg zu bringen, der am Europahafen lag. Als der Schlagzeuger seine Snaredrum in den Bunker trug, rannte ihm im Flur eine Ratte entgegen. Das war zu dieser Jahreszeit nichts Neues für ihn, denn immer, wenn der Eisgang auf der Weser einsetzte, machten sich auch die Ratten auf den Weg. Und in den Bunkern traf man sie des Öfteren an. Aber neu war für ihn, dass diese Ratte einen Finger im Maul hatte. Einen menschlichen Finger.
Der Vorfall wurde unter den Bandmitgliedern besprochen, und die Mehrheit war dafür, der Polizei eine Meldung zu machen. Also griff der Bandleader zu seinem Handy und informierte die staatliche Ordnungsmacht.
Nach kurzer Zeit traf ein Streifenwagen ein, deren Besatzung aber mit dem geschilderten Vorfall nicht viel anfangen konnte. Trotzdem hielten sie Rücksprache mit ihrer Einsatzzentrale, und die entschied, den Bunker und seine Umgebung genauer unter die Lupe zu nehmen. Etwa eine Stunde später kamen zwei Gruppenwagen der Bereitschaftspolizei vorgefahren, und die jungen Polizisten begannen den Bunker und das darum liegende Gelände abzusuchen.
Der Zugang zu den Kellergeschossen des Bunkers war mit einer Tür verschlossen. Die Bemühungen der Einsatzleitstelle, den beim Senator für Inneres verantwortlichen Sachbearbeiter zu erreichen, scheiterten. Der war im Urlaub. Eine Vertretung gab es aufgrund der angespannten Personalsituation nicht. Also gab es keinen Schlüssel.
Der Leiter des Lagezentrums entschied, die Tür aufzubrechen, und unter Hinzuziehung eines Gerätewagens der Feuerwehr wurde die Tür geöffnet. Ein nur von diffusem Licht erhellter Treppenabstieg führte in die Unterwelt. Entgegen den Erwartungen der Beamten wies das unterste Geschoss des alten Betonbaus eine beträchtliche
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