Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
obligatorisch und in Sorge, ihre Ermittlungsgruppe würde Spuren ihres Weinens erkennen können.
Ayse lächelte sie an. Mechthild schminkte sich doch nie. „Nein, alles in Ordnung.“
Das tat gut, eine Freundin auch während der Arbeit an ihrer Seite zu haben. Eine Frau verstand eine Frau eben noch am Besten. Ein Mann hätte Mechthilds Tränen wahrscheinlich gleich als inneres Eingeständnis des Scheiterns angesehen und ihr mit kalkulierter oder genetisch angelegter Sorge empfohlen, zu pausieren. Dafür hätte ein Mann dann alles in Hand genommen. Besonders Männer wie Roder schienen auf solche Gelegenheiten nur zu warten. Er würde versuchen, sie abzuservieren und nach außen auch noch als Retter einer schwachen Frau aufzutreten. Dabei war Mechthild keineswegs geschwächt. Mit ihren Tränen musste sie nur einmal die innere Spannung abbauen, sich wieder Luft schaffen. Ihre Tatkraft gewann so wieder die Oberhand.
Sie schaute auf die Uhr. Es war schon kurz nach drei. „Wo bleiben die denn alle?“ fragte sie entschlossen und ging auf den Flur vor dem Konferenzraum. Sie sah zuerst Heller heraneilen. Dann entdeckte sie nach und nach auch die anderen.
Ein Glück, dass sie heute nicht so pünktlich sind, dachte Mechthild. Ihre Tränen brauchte niemand zu sehen. Sie räusperte den letzten Kloß aus ihrer Kehle und nahm am Tisch Platz. „Als erstes möchte ich Herrn Schultze bitten, sich alle neuen Erkenntnisse zu verinnerlichen und zu versuchen, uns am Ende der Sitzung ein Bild über das weitere Verhalten des Täters zu entwerfen. Auch wenn es nur eine Hypothese sein kann, soll sich jeder diese Einschätzung zu eigen machen. Vielleicht stößt einer von Ihnen bei seinen Ermittlungen zufällig auf eine Übereinstimmung, die uns weiterhelfen könnte. Wir wollen nicht vergessen, dass unsere bisherigen Ergebnisse in vielen Fällen mit den vom Kollegen Schultze anfangs gemachten Hinweisen übereinstimmen.“
Das war ein deutliches Lob von Mechthild an die Adresse von Schultze. Ob sie es wirklich so meinte, wie sie es gesagt hatte, wusste sie selbst nicht so genau. Oder ob es nur eine weitere Breitseite gegen ihren Stellvertreter war? Sie musste aufpassen, ihre Ermittlungsgruppe nicht in zwei Lager zu spalten. Aber Fakten waren nun mal Fakten. Schultze lag bislang nicht schlecht.
Dann erteilte Mechthild Kurt Roder das Wort, der Stein berichten ließ. Roder schien beleidigt zu sein. Stein erläuterte, dass sie in den zurückliegenden Stunden in der Stabshundertschaft der Bereitschaftspolizei begonnen hätten, die Generalstabskarten der Umgebung um Dötlingen auszuwerten. Bislang hatten sie 72 einsam gelegene Häuser gefunden, wobei sie aber noch nicht in jedem Fall klären konnten, ob sie mit dem Ausschlusskriterium des Betriebs einer Landwirtschaft in Verbindung stünden. Bei einer bloßen Hochrechnung des verbliebenen Kartenmaterials könnten sie auf etwa zweihundert solcher Gebäude kommen. Nicht ohne kritischen Unterton fügte er an: „Aufgrund der Weitläufigkeit des Gebietes gehen wir davon aus, dass eine Überprüfung aller Häuser von zwei Teams etwa 14 Tage in Anspruch nehmen wird. Ergebnis ungewiss.“
Beinahe hätte er ohne nachzudenken noch die Anmerkung von Roder beigefügt, dass eine solche Arbeit reine Zeitverschwendung sei. Aber Stein war grundsätzlich anderer Ansicht. Auch wenn die Auswertung mühsam und möglicherweise keinen Schritt weiterbrachte, war sie selbstverständlich Teil einer ordentlichen Spurensuche. Etwas auszuschließen war genauso wichtig wie einen Hinweis zu finden.
Mechthild hatte trotzdem begriffen, was Stein meinte. Und sie hatte glücklicherweise die richtige Idee. „Natürlich können wir uns mit der Überprüfung nicht wochenlang Zeit lassen. Wenn Sie die Liste der infrage kommenden Gebäude erstellt haben, werde ich mit der Bereitschaftspolizei in Oldenburg sprechen. Sicher gibt es eine dort Ausbildungshundertschaft, die uns unterstützen würde. Die sind doch immer auf der Suche nach echten Einsätzen für ihre Polizeianwärter. Fahrzeuge und Personal spielen dort, anders als hier in Bremen, keine Rolle. Und die jungen Polizisten sind nach meiner Erfahrung immer ganz heiß darauf, die Theorie in die Praxis umzusetzen.“
Stein und Krasnitz lächelten. Das war natürlich eine Lösung. Die beiden hatten sich schon tagelang durch die ländliche Trostlosigkeit tingeln und Häuser photographieren gesehen. Das würde ihnen damit erspart bleiben. Stattdessen würden sie mal eine
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