Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
frustrierten Blick durch den Spalt ihrer halbgeöffneten Bürotür und einem knappen „Moin“ an. KHK Kurt Roder war ein schwieriger Typ. Als einziger Kriminalhauptkommissar in der Mordkommission war er Mechthilds Stellvertreter. Roder war ein unverbesserlicher Macho, hatte Schwierigkeiten, unter der Leitung einer Frau zu arbeiten, und sein Charakter war von unterdrückter Aggressivität und einer spürbaren, schlummernden Gewaltbereitschaft geprägt. Er hatte selbst Ambitionen gehabt, Leiter der Mordkommission zu werden. Er war am längsten hier tätig und hätte sicher auch das Zeug dazu gehabt. Aber durch die vor einigen Jahren begonnene Polizeireform waren die Kommissariatsleitungen höher bewertet und sukzessive durch Kriminalräte ersetzt worden. Und Roder war nicht bereit gewesen, sich für die Ratslaufbahn zu bewerben und sich einer Prüfungskommission zu stellen. Aus welchen Gründen auch immer. Ob er nun Angst gehabt hatte, durchzufallen und abgelehnt zu werden, oder ob er seinen Anspruch auf die Leitung als selbstverständlich ansah, er hatte es jedenfalls nicht getan und war seitdem immer schlecht gelaunt.
Dennoch hatte er auch seine Vorteile und Fähigkeiten, die Mechthild Kayser sehr wohl sah und zeitweise zu schätzen wusste. Roder konnte Verdächtige in einer harten und brutalen Art und Weise verhören, sie bis an die Grenzen der Legalität verbal und durch seine körperliche Präsenz unter Druck setzen wie kaum ein anderer.
Mechthild war überzeugt, dass er, wenn sie nicht dabei war, diese Grenzen ohne Skrupel auch überschritt, um Ergebnisse zu erreichen. Aber bislang gab es keine belegbaren Vorwürfe, die dazu geführt hätten, Roder in seine Schranken zu verweisen. Und solange das so war, musste sie davon ausgehen, dass er sich an die Regeln hielt.
Zusammen mit Ayse Günher trat der junge Heller in ihr Büro. Sie begrüßten sich kurz, und Mechthild erinnerte daran, in zehn Minuten ihre Frühbesprechung machen zu wollen. Sie sollten KHK Roder mitbringen.
Mechthild steckte die ausgedruckte E-Mail über den vermissten Rentner in eine Besprechungsmappe zu den Vorgängen, die noch von Freitag unbearbeitet auf ihrem Schreibtisch lagen, und verließ ihr Büro.
Das Besprechungszimmer der Mordkommission war im Zuge der Personalreduzierung entstanden. Zwischen zwei nicht mehr belegten Büros war die Trennwand entfernt worden und ein Raum entstanden, in dem man jetzt einen großen, rechteckigen Tisch, umrahmt von zwölf Stühlen, unterbringen konnte. Durch die vier nebeneinanderliegenden, hohen Fenster hatten sie einen schönen Blick auf die Wallanlagen der Stadt, die den alten Stadtkern im Mittelalter vor Angreifern schützen sollten. Während sich damals die aufgrund ihrer Gewürzimporte als „Pfeffersäcke“ bezeichneten Kaufleute mit den anderen Honoratioren der Stadt sicher hinter den Befestigungsanlagen verschanzen konnten, wurden die Bewohner der davorliegenden Stadtteile regelmäßig Opfer der Brandschatzung angreifender Truppen.
Das Besprechungszimmer hatte die Tristesse aller mit öffentlichen Mitteln eingerichteten Funktionsräume. Im Gegensatz zu den Büros der Mitarbeiter fanden sich hier keine persönlichen Gegenstände, die die Atmosphäre auflockerten. Photos, Pflanzen, Andenken fehlten völlig. Die Vorgaben für die Beschaffung von Büromöbeln waren eng gefasst. Entscheiden konnte man sich lediglich zwischen zwei verschiedenen Kunststoffoberflächen: hellgraues Plastik oder Nussbaumimitat. Wer etwas auf sich hielt und bereit war, in seine Arbeitsumgebung selbst zu investieren, der stellte sich die Möbel für seine Besprechungsecke im Büro selbst zusammen. Das wurde von der Leitung toleriert, führte es ja schließlich auch dazu, Kosten einzusparen. Doch ließ sich auch der Verdacht nicht von der Hand weisen, dass so manche Mitarbeiter auf diesem Weg ihre alten Wohnzimmereinrichtungen einer neuen Nutzung zuführten oder besser gesagt diese Möglichkeit zu deren Entsorgung nutzten. Jedenfalls bekam man einen Einblick über die vorherrschenden, zum Teil erschreckenden Geschmäcker der Kollegen.
Mechthild Kayser begrüßte noch einmal ihre kleine Truppe und begann die angefallene Arbeit zu verteilen. Heiner Heller als Benjamin in der Mordkommission bekam den Vorgang um den vermissten Rentner, der einzige aktuelle Fall an diesem Tag und ihres Stellvertreters Roder nicht würdig. Die fehlenden Unterlagen über die bisher durch den Kriminaldauerdienst getroffenen Maßnahmen würden
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