Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
noch die neue Presseerklärung. Dann musste sie sich endlich Zeit nehmen, über den Täter nachzudenken. Was konnte einen Menschen bewegen, eine Leiche schönheitschirurgisch zu behandeln?
Drei Tage gingen vorüber, ohne dass sich die Ermittlungen verdichteten. Hinweise aus der Bevölkerung gingen wider Erwarten nur spärlich ein und waren im Ergebnis alle nicht relevant. Anlässlich anderer Fälle gab es haufenweise Hinweise. Natürlich musste man zugeben, dass die meisten nicht zu gebrauchen waren. Viele Wichtigtuer beschäftigten die Polizei über Tage mit ihren angeblichen Beobachtungen. Aber die Polizei hatte keine Chance zu differenzieren. Jeder Hinweis wurde als Spur in einer Spurenakte festgehalten und verfolgt, mochte er noch so abwegig sein. Nichts durfte außer Acht gelassen werden, wenn sie nach einem Mörder suchten. Mechthild erinnerte sich an den Fall eines jungen Polizisten aus Hamburg, der aufgrund der Aussage einer Frau in Bremen einer sexuell motivierten Tat bezichtigt wurde und in Untersuchungshaft kam. Der Tatvorwurf zielte auf ein Sexualdelikt mit anschließendem Totschlagsversuch ab. Die Meldung an die Hamburger Kollegen löste eine Untersuchung aus, die dazu dienen sollte, diesem Kollegen zwei weitere Morde in Hamburg nachzuweisen. Für den jungen Beamten war die Erfahrung der Untersuchungshaft mehr als einschneidend. Er brach fast völlig zusammen. Ein Hochschulpraktikant bei der Kriminalpolizei, der mit diesem Fall bedacht war, machte sich die Mühe, auch die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu hinterfragen, und stieß dabei auf mehrere Vorfälle, bei denen sie sich in spektakulären Mordfällen als Opfer dargestellt hatte, das einem Serientäter gerade noch entkommen war. Mit ihren falschen Hinweisen hatte sie die Behörden der Bundesrepublik über Monate sinnlos beschäftigt. In einer rigorosen Zeugenbefragung gab die Frau dann zu, sich alles nur ausgedacht zu haben, um sich in den Vordergrund zu spielen. So kam der Kollege aus Hamburg wieder frei, und die Polizei wurde davor bewahrt, ihre knappen Personalressourcen weiter zu vergeuden.
Jetzt lag der Fall ganz anders. Niemand hatte die Frau wahrgenommen. Keiner meldete sich und machte Angaben darüber, wo sie sich aufgehalten hatte. Als wenn sie nie in Bremen gewesen wäre. War sie vielleicht von weit her nach Bremen geschafft worden? Mechthild war klar, dass das keinen Sinn machen würde. Niemand würde sich dem Risiko aussetzen, eine Leiche durch Deutschland zu kutschieren. Leerstehende Lagerhallen gab es auch anderswo. Der Täter musste eine andere Motivation gehabt haben. Aber welche? So gut war das Versteck der Toten auch nicht, als dass es nicht bald gefunden werden konnte. Wollte er das? Sollte die Öffentlichkeit erfahren, was er tat? Das wäre schlimm. Denn dann könnte er weitere Morde begehen wollen, um sich wieder zu zeigen. Vor diesem Gedanken graute es Mechthild.
KK Heller wartete immer noch auf Antworten seiner Secondhand-Läden, und Ayse Günher musste erleben, dass die ärztliche Schweigepflicht offensichtlich auch unter den Ärzten selbst galt. Die Hinweise der Ärztekammer waren so allgemein gehalten, dass sie keinerlei Ansätze für einen Einstieg in weitere Ermittlungen boten. Das Einzige, was ihr alle Angesprochenen vorbeteten, waren Beschwerden über die ausländische Konkurrenz in Polen und Tschechien. Und damit hätte sie eigentlich rechnen müssen. Das Internet war geradezu überhäuft von günstigen schönheitschirurgischen Angeboten aus dem Osten Europas.
Sie machte sich Gedanken nach einem anderen Ermittlungsansatz und erinnerte sich an den Bericht der Gerichtsmedizin. „Professionelle medizinische Geräte waren unsachgemäß eingesetzt worden.“ Chirurgische Skalpelle konnte man heutzutage auf jedem Flohmarkt kaufen. Aber ein Gerät zur Liposuction? Sie ging wieder ins Internet. Wo konnte man Vakuumpumpen zur Fettabsaugung kaufen? Vielleicht ließen sich die Käufer ermitteln?
Ayse Günher ahnte, dass sie nach der Nadel im Heuhaufen suchte. Sie wollte aber nichts unversucht lassen. Ein Täter, der seine Opfer solchen Prozeduren unterzog, war gefährlich. Und für sie stand schon jetzt fest: Das war ein Mann gewesen.
Der Schock für Mechthild Kayser kam in den Mittagsstunden des darauffolgenden Tages. Nach einer Körperverletzung war ein Mann an einer eingetretenen Hirnblutung im Krankenhaus St.-Jürgen-Straße verstorben. Ein weiterer Fall für die knapp besetzte Mordkommission, der nicht nur einen ihrer
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