Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
loszuwerden.
Aber heraus kam nach Hellers Ansicht nicht viel. Der verstorbene junge Mann kam aus einem der neuen Bundesländer und war erst vor kurzem beim Gartenbauamt eingestiegen. Der vermeintlich goldene Westen hatte ihm unzweifelhaft kein Glück gebracht. Am Ende seiner Unterredung verstand Heller dann doch, warum er diesen langen Vortrag erdulden musste. Die Klassifizierung der Wallanlagen als Landschaftsdenkmal verbot die Veränderung der ehemals festgelegten Bepflanzung.
„Irgend so ein Hirni aus meiner Abteilung“, so hatte sich der Sachgebietsleiter aufgebracht ausgedrückt, hatte, wie er bei einem Kontrollgang mit Bestürzung entdeckte, am Ende des Wallgrabens an der Contrescarpe großflächig Araceae gepflanzt. Hellers Blick entnahm er, dass dieser weder Zugang zur Botanik hatte noch über hinlängliche Lateinkenntnisse verfügte. Mit der kleinlichen Arroganz des Wissenden wurde Heller von ihm darüber belehrt, dass Araceae im Deutschen als Aronstab bezeichnet wird. Dann ereiferte sich der Sachgebietsleiter weiter. Er sprach von einer ungeheuren Provokation und Freveltat ohnegleichen. Er fühlte sich „von Vollidioten umgeben“.
Heller schüttelte innerlich den Kopf. Er konnte nicht begreifen, wie man so sehr mit seinem Job verheiratet sein konnte. Das war für ihn schon neurotisch. Für einen Moment stellte er sich vor, dass dieser Sachgebietsleiter eigenhändig jeden niederschlug, der sich an seinem Denkmal vergreifen wollte. Aber seinen eigenen Gärtner brauchte er deswegen ja nicht umzubringen. Den konnte er einfach anweisen, das zu tun, was er wollte. Als Täter kam er für Heller also nicht in Betracht. Insgeheim beneidete er diesen Mann ein wenig. Ein Mensch, der genau wusste, wofür er jeden Tag arbeiten ging und in seiner Aufgabe völlig aufzugehen schien. Jedenfalls hatte der junge Gärtner den Auftrag erhalten, die Araceae wieder zu entfernen. Und zwar alleine. Warum er sich mit jemanden in die Haare gekriegt hatte, war für den Sachgebietsleiter ein Rätsel. Damit schloss er seinen Vortrag.
Als Heller sich verabschiedete, konnte er sich nicht verkneifen, den gestressten Sachgebietsleiter auf den immer noch fortwährenden Missstand in seinem Kulturdenkmal hinzuweisen und ihn damit erneut in Aufregung zu versetzen. Nach Hellers Erinnerung hatte es am Tatort nicht so ausgesehen, als wenn irgendeine Bepflanzung frisch entfernt worden war. Der tote Gärtner war wahrscheinlich gar nicht mehr dazu gekommen.
Mit der Gewissheit, dass sein Gesprächspartner nach einer unruhigen Nacht am kommenden Morgen gleich einen ganzen Trupp zur Wiederherstellung seines geliebten Denkmals loshetzen würde, verließ Heller dessen Büro. Ihm war klar, dass er sich jetzt besser um die Benachrichtigung von Angehörigen des Toten kümmern sollte, aber die Eröffnung des Campagne rückte immer näher. Bevor von Sülzen die Leiche nicht offiziell freigegeben haben würde, bestand aber Hellers Meinung nach auch keine Eile. So beruhigt, überlegte er auf dem Heimweg, welches Outfit er für heute Abend wählen sollte. Bestimmt waren wieder eine Menge hübscher, knackiger Miezen zu bestaunen. Und vielleicht zu erobern.
Bevor Mechthild Kayser ihr Büro an diesem Abend verließ, stellte sie fest, dass Heller nicht mehr zurückgekehrt war und sie somit keine Akte über seinen Fall vorliegen hatte. Obwohl sie die Verantwortung trug, konnte sie sich im Augenblick mit diesem Gedanken nicht länger aufhalten. Sie hatte mit Ayse verabredet, sich bei ihr zu Hause zu treffen, um gemeinsam zu überlegen, was einen Täter dazu veranlassen könnte, sein Opfer so zu entstellen. Obwohl sie es natürlich nicht ausschließen durfte, glaubte auch sie nicht an eine Täterin. Eine Frau würde einer anderen so etwas nicht antun.
Auf dem Rückweg nach Hause stellte Mechthild Kayser ihr Fahrrad vor dem Weinhaus Bennecke ab. Sie ließ sich von dem Weinhändler zu einem teuren Saint-Emilion Grand Cru überreden und fand es beim Bezahlen angesichts des Preises bedauerlich, diesen nicht über ihre Spesen abrechnen zu können. Seit einer Weile gab es hier im Geschäft eine Theke mit erlesenen Delikatessen. Sie konnte bei dem Gedanken an den guten Wein nicht umhin, noch eine kleine Lage luftgetrockneten Serrano-Schinken und ein Stück sündhaft teuren Ziegenkäse mitzunehmen. Cracker und Oliven habe ich noch im Haus, erinnerte sie und fühlte sich, als wenn sie ein Festessen für Freunde arrangieren würde. Aber was sprach dagegen, sich die
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