Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
Journalisten waren empfindlich, wenn es um die Information der Öffentlichkeit ging. Selbst wenn es den Eindruck machte, als wenn die Boulevard-Presse hauptsächlich vom Motiv der Panikmache und der Sensationslust angetrieben wurde. Bevor sie eine weitere Mitteilung schreiben würde, musste sie mit den Kollegen der Polizei in Flensburg reden. Sie holte die von ihr gefundene Vermisstenmeldung zurück auf den Bildschirm, griff zum Telephon und wählte die unter dem Bild angezeigte Nummer.
Nach langem Klingeln meldete sich der in der Vermisstendatei genannte Polizeibeamte. „Polizei Flensburg, Mertens.“
„Mechthild Kayser, Mordkommission Bremen“, stellte sie sich vor. „Ich möchte mit dem Kollegen sprechen, der die Vermisstensache Mathilde Burkhardt bearbeitet.“
Mertens erklärte, dass er für alle Vermisstenangelegenheiten zuständig und sie richtig verbunden sei. „Haben Sie sie gefunden?“ fragte er gleich.
„Wir sind uns nicht sicher. Wir haben eine unbekannte Tote, die der Vermissten sehr ähnlich sieht. Es liegt Fremdverschulden vor. Wir gehen davon aus, dass die Tote ermordet wurde.“
„Ich verstehe. Haben Sie weitere Anhaltspunkte, die wir abstimmen können?“ wollte Mertens wissen.
Mechthild ging im Geiste die bekannten Tatsachen über die Tote durch. „Anfang fünfzig, keine Operationen, keine Kinder. 1,65 Meter groß. Das Gewicht konnten wir nicht genau ermitteln, aber es betrug mehr als 65 Kilogramm. Ihre natürliche Haarfarbe war Braun, aber sie war blondgefärbt. Sie muss schon mehr als vier Wochen bei uns gelegen haben, aber das würde sich ja mit Ihrer Vermissten decken. Übrigens hatte sie eine Vorliebe für Kleidung aus den sechziger Jahren.“
Der Kollege Mertens ließ sich einige Zeit, bis er wieder antwortete. Wahrscheinlich musste er länger nachdenken. Deutlich war im Hörer wahrzunehmen, wie er tief den Rauch einer Zigarette inhalierte, bevor er anhob. „Frau Kollegin. Sie sagten vier Wochen? Ich nehme an, dass das Photo Ihnen dann nicht viel weitergeholfen hat, oder?“
Mechthild registrierte, dass das Interesse ihres Flensburger Kollegen kleiner wurde. Für ihn schien es eine der vielen, täglichen Routineanfragen zu sein, die bei einer vagen Beschreibung meistens negativ ausgingen. Vier Wochen bedeuteten für ihn vier Wochen der Verwesung. In dieser Zeitspanne konnte ein Gesicht schon bis zur Unkenntlichkeit zersetzt sein. Der Polizist aus Flensburg kannte die besonderen Umstände des Leichenfundes nicht, und so war seine kritische Nachfrage naheliegend. Wozu sich zuviel Arbeit machen.
„Doch, es ist das Photo, das mich anrufen lässt“, sagte Mechthild Kayser. „Unsere Tote war in einen Vakuumsack eingeschweißt. Die Verwesung hat deshalb so gut wie gar nicht eingesetzt bzw. war erheblich vermindert. Wir haben eine hohe Übereinstimmung mit Ihrem Bild, aber keine Sicherheit. Gibt es denn jemanden, der sie identifizieren kann?“
Jetzt sah die Angelegenheit für Mertens ganz anders aus. „Ich setz mich ran, Frau Kollegin“, versicherte er. „Sicher haben Sie doch einen Gebissabdruck?“
„Aber natürlich“, antwortete Mechthild. „Mein Stellvertreter, Herr Roder, wird ihn an Ihre E-Mail-Adresse senden.“
„Trotzdem wird es ein bisschen dauern“, bedauerte Mertens. „Ich muss mir vorher einen richterlichen Beschluss besorgen, um im Haus der Vermissten nach Hinweisen auf ihren Zahnarzt suchen zu dürfen. Es wäre für mich hilfreich, wenn Sie ein schriftliches Ersuchen an mich richten, mit konkreten Hinweisen auf Frau Burkhardt. Wir schauen dann auch nach der Kleidung aus den sechziger Jahren. Aber zur Wohnungseinrichtung der Dame passt das nicht, wie ich meine, mich erinnern zu können“, formulierte er vorsichtig. „Aber eines will ich Ihnen noch sagen, Frau Kayser“, fuhr er fort. „Die Frau Burkhardt war deutlich übergewichtig. 65 Kilogramm, wie Sie sagten, wog sie bestimmt nicht. Das waren weit über siebzig, vielleicht sogar achtzig.“
„Es ist trotzdem möglich, dass sie es ist“, erklärte Mechthild. „Unsere Tote wurde nach ihrem Ableben einer Fettabsaugung und chirurgischen Eingriffen zur Brustverkleinerung unterzogen.“
Mertens schluckte hörbar am Telephon. „Das ist ja krank!“ sagte er angewidert. „Schicken Sie schnell Ihr Amtshilfeersuchen. Ich mache entsprechend Druck.“
Mechthild Kayser bedankte sich und beendete das Gespräch. Dann wählte sie Roders Nummer und instruierte ihn, mit Mertens Kontakt aufzunehmen. Jetzt
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