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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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auf dem Kirchturm, hat Wagner gesagt. Sonst nichts.
    Er hat einfach aufgelegt, nicht abgewartet, was Max sagen würde. Max ist losgerannt, hat Baroni zurückgelassen, alles, was er noch hatte, sein Leben, seine Wohnung, seinen Friedhof, alles. Er ist über den Kirchplatz gerannt, hat Türen aufgerissen im Bewusstsein, dass er es zum letzten Mal tat.
    Max denkt nicht mehr nach, er setzt nur einen Fuß vor den anderen. Nicht denken. Nur nach oben steigen. Drei Stufen auf einmal. Noch eine Minute, mehr hat er bestimmt nicht mehr. Er atmet wild, bekommt fast keine Luft mehr, er zählt die Sekunden, die Stufen. Keine anderen Gedanken mehr, nur die Stufen, die Sekunden, die ihn von Wagner trennen. Keine Fragen mehr, nur seine Beine, wie sie nach oben fliegen. Er hat sich entschieden.
    Kein Zurück, kein Zweifel.
    Nur nach oben steigen.
    Nicht denken.
    Max war als Kind oft auf dem Turm, als Jugendlicher hat er heimlich oben bei den Glocken geraucht, die dreihundertsechsundsiebzig Stufen sind ihm vertraut, das alte Holzgeländer, die eingeritzten Namen darin. Er darf keinen Fehler mehr machen, er will, dass alles ein Ende hat, ganz egal wie das Ende aussehen wird. Die Glocken vor ihm. Max kommt oben an.
    Vor ihm Wagner, genau, wie er es sich vorgestellt hat. Der Mörder von Hanni, er lehnt an der Wand und schaut auf seine Uhr. In der Hand die Pistole, er richtet sie auf Max. Dann drückt er ab.
    Es ist still.
    Wie Max zu Boden geht.
    Langsam.
    Wie er Tildas Stimme im Ohr hat.
    Von Baronis Wohnzimmer aus hat er noch einmal mit ihr gesprochen.
    Da war dieses Piepsen, das sagte, dass der Akku bald leer sein würde. Er hat ihr gesagt, dass er nichts bereut, keinen Tag mit ihr, auch diesen nicht. Er hat ihr gesagt, dass er es tun muss, dass er nicht anders kann. Dass sie leben soll. Dass sie sich keine Vorwürfe machen muss, keine Vorwürfe machen darf, weil es seine Entscheidung war. Er hat sich bei ihr bedankt für alles, was sie für ihn getan hatte. Er hat sie nicht zu Wort kommen lassen, nicht ausreden, hat ihre Fragen nicht beantwortet. Was er vorhat. Ob er etwas Dummes tun wird. Warum er das alles sagt.
    Max hat sich verabschiedet. Tilda hat ihn angeschrien. Er soll aufhören damit, er soll ihr sofort sagen, was er vorhat. Zwischen dem Piepsen und seiner Stimme hat sie gehört, dass etwas passieren wird, etwas, das nicht mehr gut zu machen war. Was, wollte sie wissen. Sie hat geweint. Ihre Stimme war klein und schwach. Max hat sie auf den Hörer geküsst. Sie hat geschluchzt. Kraftlos, leise.
    Ich liebe dich, hat er gesagt.
    Ich dich auch, hat Tilda geflüstert.
    Dann war das Telefon tot. Da war nichts mehr von ihr. Nur noch die Erinnerung an sie. Wie sie flüsterte. Wie sie ihm Geschichten erzählte vor zwanzig Jahren. Wie sie ihn nach seiner ersten Flasche Wein erwischte, wie sie für ihn kochte, für ihn Mutter war. Wie ihre Stimme plötzlich weg war. Wie er Baroni küsste und nach unten rannte. Wie er oben ankam. Und wie Wagner schoss.
    Wie die Kugel ihn streift und neben ihm einschlägt. Wie Blut aus seinem Oberschenkel kommt. Wie es brennt. Wie er dasteht und Wagner anschaut, fragend, verzweifelt.
    – Zwei Minuten, vierundfünfzig Sekunden. Das war knapp.
    – Ich bin hier.
    – Den kleinen Streifschuss haben Sie sich trotzdem verdient. Ich sagte Ihnen doch, dass Sie nicht auflegen sollen.
    – Was willst du?
    – Kommen Sie erst mal zu Atem.
    – Du sollst es zu Ende bringen.
    – Ich bin nach wie vor sehr überrascht. Ich kann es kaum glauben, dass Sie das wirklich für sie tun wollen.
    – Bevor ich sterbe, will ich mir sicher sein, dass Tilda auch wirklich gefunden wird.
    – Ich finde es schön, dass Sie nicht die Polizei angerufen haben.
    – Und ich finde, du bist ein widerwärtiges Dreckschwein.
    – Ich verstehe, dass Sie schwer unter Druck stehen, aber ich kann diese Beleidigungen nicht länger dulden. Das nächste Mal ziele ich genauer.
    – Von mir aus.
    – Sie sind ganz schön durch den Wind. Scheint Sie doch alles mehr mitzunehmen, als es im Fernsehen den Anschein hatte.
    – Ich will, dass du bei der Polizei anrufst und ihnen sagst, wo Tilda ist. Du kannst mein Telefon nehmen. Und dann warten wir, bis man sie ausgegraben hat. Danach kannst du mich erschießen.
    – Ach, ach, ich habe doch alles vorbereitet, mich um alles gekümmert, Sie müssen sich keine Sorgen machen.
    – Was willst du von mir?
    – Alles steht hier auf diesem Zettel. Wo man Ihre Stiefmutter antreffen kann, wie man dorthin kommt,

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