Fuer immer und einen Tag
Später erfuhr ich, dass die junge Frau, die meinen Platz eingenommen hatte, inzwischen in New York arbeitete und dort die tollsten Aufträge bekam.
Der Tumor in meinem Gehirn war entfernt worden, doch das Skalpell des Chirurgen hatte weitaus mehr herausgeschnitten als nur den Krebs. Meine beruflichen Ambitionen, der Wunsch, eines Tages Ehefrau und Mutter zu werden â all das erforderte einen unanfechtbaren Zukunftsglauben, und den hatte ich verloren. Also hatte ich meine Träume begraben und die vergangenen Jahre auf der Stelle getreten. Ich hatte einen Job als Büroleiterin in einem kleinen Familienbetrieb angenommen, der Armaturen für Küchen und Bäder herstellte. Der Betrieb expandierte, und es tat sich eine neue Stelle für einen Marketingleiter auf. Ich hatte bereits unter Beweis gestellt, dass ich sowohl die Eignung als auch die nötige Erfahrung besaÃ, aber es war Alex, der den Posten bekam, nicht ich. Alex, dessen Vater zufällig ein enger Freund von Mr Bannister, dem Geschäftsinhaber, war. Er hatte das nötige Selbstbewusstsein und die Kontakte. Die entgangene Aufstiegschance war jedoch nur ein weiterer kleiner Punkt auf einer langen Liste von Niederlagen und Ungerechtigkeiten, so dass ich meine Enttäuschung heruntergeschluckt und im alten Trott weitergemacht hatte.
Jetzt aber lagen all meine Sorgen und Nöte hinter mir, und ich war bereit zurückzuerobern, was mir zustand. Noch einmal sog ich tief die kalte Luft ein und hielt den Atem an, während ich auf eine Eingebung wartete. Meine Stirn zog sich in Falten, als ich mit einem langgezogenen Pusten ausatmete. Was genau erwartete ich von meiner zweiten Chance? AuÃer, dass ich jede Minute genieÃen wollte, hatte ich noch keine Vorsätze gefasst.
Vermutlich war ich davon ausgegangen, dass alles Weitere sich einfach ergeben würde. Ich war frei! Wenn ich den Krebs besiegen konnte, hatte ich ja wohl einen Anspruch darauf, mir aussuchen zu dürfen, was das Leben mir von nun an bieten sollte. Ich hatte meinen Anteil an Unglück und Kummer gehabt, jetzt wollte ich zum schönen Teil übergehen. Beinahe erwartete ich, an der Krankenhauspforte von einem freundlichen Ladenbesitzer in Empfang genommen zu werden, der mich mit Zauberkraft in seinen Träume-Laden beförderte. Dort würde er mit den Händen in den Hosentaschen gespannt zusehen, wie ich Regal um Regal voller Schachteln in allen Farben und GröÃen absuchte, von denen jede etwas anderes, aber gleichermaÃen Aufregendes enthielt. Geduldig würde er darauf warten, dass ich meine Wahl aus dem enormen Angebot an wunderbaren Abenteuern traf. Ich brauchte nur zuzugreifen.
Leider wartete kein solcher Ladenbesitzer auf mich, weshalb ich einfach nur dastand, ohne zu wissen, was ich jetzt tun sollte. Der nächste Schritt war wichtig, und ich wollte keinen Fehler begehen. Nervös hob ich den rechten Fuà an und hielt ihn in der Schwebe, immer noch unsicher, wohin er mich führen sollte.
ZWEITES KAPITEL
E s war Montagmorgen, und Emma war allein, sofern man auf einer überfüllten Krankenstation überhaupt allein sein konnte. Fest davon überzeugt, dass sie entlassen würde, war sie schon vollständig angezogen und wartete nur darauf, ReiÃaus zu nehmen. Sie saà mit übereinandergeschlagenen Beinen auf der Bettkante, und ihr eigensinniger Fuà wippte im Takt mit dem Regen, der gegen die Fensterscheibe trommelte. Trotz des scheuÃlichen Wetters erschien ihr die Freiheit drauÃen nicht weniger verlockend. Sie hatte ihre Mutter bereits angewiesen, zu Hause zu bleiben, weil sie wusste, dass Meg genug mit den Vorbereitungen für ihre Ankunft zu tun haben würde. Louise stand auf Abruf, um sie abzuholen, folglich musste sie jetzt nur noch Dr. Spelling davon überzeugen, dass es ihr gut genug ging. Das Krankenhaus zu verlassen, um bei ihrer Mutter einzuziehen, stellte zwar kein vollständiges Entrinnen aus ihrem Albtraum dar, kam aber einem Anschein von Normalität am nächsten.
Emma schloss die Augen und sann über die nächste Phase ihres Lebens nach, doch ihre Gedanken wanderten sofort in eine Richtung, die sie nicht einschlagen wollte. Sie besaà nicht den unerschütterlichen Glauben ihrer Mutter an die Existenz einer Wunderheilmethode irgendwo auf der Welt, und sie wusste nicht, ob sie nur ihr zuliebe irgendwelchen Schimären hinterherjagen sollte. Zudem vermutete sie, dass jegliche
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