Fuer immer und einen Tag
mitbekam, dass sie Zeugin seines persönlichen Schmerzes geworden war. Sie tat keines von beidem. Sie setzte sich leise zu ihm und überlieà ihm die Entscheidung, ob er von ihr gesehen werden wollte.
Er blickte nicht auf, als er nach ihrer Hand griff und sie an seine Brust drückte. Seine Tränen fielen wie Regentropfen darauf, und sie stellte sich vor, wie sie dem Verlauf feiner Runzeln folgten, Falten folgten, die sich erst noch in sein Gesicht graben mussten. Doch ihr war zu bang ums Herz, um das Bild eines älteren, regennassen Ben Gestalt annehmen zu lassen.
SchlieÃlich atmete er tief durch, um sich zu fassen, bevor er sprach. »Was ist, wenn deine Mum die ganze Zeit recht hatte?«, sagte er heiser, als hätte der Schrei, den er in den vergangenen Stunden unterdrückte hatte, seine Stimmbänder angegriffen. »Wenn es doch irgendwo einen besseren Arzt gibt, der dir helfen kann?«
»Ich habe schon den besten Arzt, einen, der mir die Wahrheit sagt und sich nicht scheut, Klartext zu reden.«
»Aber ich habe noch nicht genug Zeit mit dir gehabt, nicht annähernd genug«, sagte er und drückte ihre Hand.
»Niemand kann mir mehr helfen, Ben, du auch nicht«, sagte Emma sanft. »Es muss genügen zu wissen, dass ich mir schreibend geholfen habe.«
Ben riss den Kopf hoch. Seine Augen waren so rot und traurig, wie sie befürchtet hatte, aber sie sprühten zugleich vor Zorn. »Das Buch ist mir egal«, sagte er. »Das ist nicht echt. Du bist mir wichtig, sonst nichts!«
Emma zog die Augenbrauen hoch, und als die Wut in ihr hochkochte, lieà sie ihr freien Lauf, denn das war ihr lieber als die abgrundtiefe Verzweiflung, der sie sich schon so oft gegenüber gesehen hatte. »Egal?«, rief sie. »Na toll! Es sollte dir aber verdammt noch mal nicht egal sein. Wenn dich das Buch nicht interessiert, dann hat es keinen Sinn, noch mehr davon zum Leben zu erwecken. Dann können wir die Hochzeit genauso gut absagen.«
»Auf keinen Fall«, erwiderte Ben. Seine eigene Wut füllte ihn nun so sehr aus, dass er seine zusammengesunkene Haltung aufgab und sich aufrichtete.
»Und ich kann das Buch in den Müll werfen«, stachelte sie ihn weiter an.
»Nein, das darfst du nicht! Du hast deine ganze Seele da reingelegt, ich lasse nicht zu, dass du es vernichtest.«
Emma sah ihn an, sah die Tränenspuren, die sich wie Narben über seine Wangen zogen, und wischte sie weg. »Keine Tränen mehr«, sagte sie. »Nicht, solange ich noch da bin. Wenn ich gestorben bin, kannst du meinetwegen den Mond anheulen und die Sterne vom Himmel reiÃen und in den Staub treten, aber solange ich lebe, keine Tränen mehr.« Ihre Stimme bebte genauso wie ihre Lippen, Ausläufer der Erschütterung, die durch ihren Körper lief, aber sie würde nicht weinen.
Ben wagte ein Lächeln. Es erreichte seine Augen nicht ganz, aber es war ein tapferer Versuch. »Ich probierâs«, sagte er.
»Das genügt nicht«, sagte Emma mit Nachdruck. »Wir heiraten und leben glücklich bis ans Ende unserer Tage. Dann, wenn ich nicht mehr bei dir sein kann und deine Tränen versiegt sind, wirst du schöne Erinnerungen haben, und du wirst unsere Geschichte haben, die dich daran erinnert, wie ich meine Träume gelebt habe.«
Ben starrte sie an, und seine Augen zogen sich schmal zusammen, als er sich bemühte, ihren unergründlichen Gesichtsausdruck zu lesen. »Dein Dr. Spelling wäre stolz auf dich. Du scheust dich auch nicht, Klartext zu reden.«
Emma merkte, wie sie sich entspannte. Sie zog die Nase kraus und erwiderte sein Lächeln, und das Gewicht der Welt auf ihren Schultern wurde ein kleines bisschen leichter. »Deshalb liebst du mich«, sagte sie.
»Unter anderem«, präzisierte er und küsste sie.
»Ãgypten?«, schlug die junge Frau zaghaft vor.
»Waren wir auch schon«, sagte ich seufzend und blätterte durch einen weiteren Prospekt.
Das arme Mädchen bemühte sich, einen Anschein von professionellem Eifer aufrechtzuerhalten. Wir saÃen seit einer Stunde im Reisebüro, und unsere Beraterin hatte schnell feststellen müssen, dass wir schon mehr Länder und Orte bereist hatten, als sie selbst vom Hörensagen kannte. Wir waren im vorläufigen Ruhestand und hatten uns eine Auszeit genommen, die zuerst nur ein Jahr dauern sollte, um die Welt zu bereisen, doch jedes Mal, wenn
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