Fuer immer und einen Tag
wir glaubten, unser letztes Abenteuer erlebt zu haben, fiel uns noch ein letztes fantastisches Ziel ein, das wir einfach sehen mussten. Jetzt, nach drei Jahren, hatten wir so ziemlich alles gemacht, und trotzdem schmeckte mir die Vorstellung nicht, dass es das gewesen sein sollte.
»Wie wärâs, wenn wir einfach nach Hause gehen?«, sagte Ben. Seine Stimme klang rau von zu viel Lachen und gutem Essen in all den Jahren. Er stand auf, und ich hatte den Verdacht, er würde sich nicht umstimmen lassen.
Ergeben reichte ich ihm meine Hand, damit er mich auf die Beine zog.
»Aber â¦Â«, begann ich und stockte dann. Konnte es sein, dass es wirklich kein Aber mehr gab?
»Es geht im Leben nicht darum, die Welt gesehen zu haben, es geht darum, sie zu erfahren«, sagte er und zog mich zur Tür. »Wir haben jetzt Enkelkinder, und es wäre doch vielleicht ganz schön, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen.«
Wir waren schon fast drauÃen, als ich abrupt stehen blieb. »Du hast recht, es gibt so viele Erfahrungen, die wir noch nicht gemacht haben«, sagte ich. »Kamelreiten durch die Sahara, Tiefseetauchen auf den Fidschi-Inseln, Fallschirmspringen im Himalaya â¦Â«
»Emma â¦Â«, warnte Ben.
»Na gut, vielleicht nicht Fallschirmspringen, wir wollen es nicht übertreiben in unserem Alter, aber wie wärâs mit einer HeiÃluftballonfahrt über die Serengeti?«
Ben lachte, als wäre ich verrückt geworden, aber die Reisebüroangestellte hatte sogleich die Ohren gespitzt und suchte schon neue Prospekte für mich zusammen. Das Lachen verging ihm, als er sah, dass ich es ernst meinte. Ich wollte nicht aufgeben, noch nicht, ich wollte das Leben bis zum Letzten auskosten. Ich fiel ihm um den Hals. »Wenn es dir lieber ist, können wir auch die Enkelkinder mit nach Florida nehmen. Ich würde gern sehen, wie du den Tower of Terror überstehst.«
»Du bist wirklich nicht zu bremsen, was?«
»Deshalb liebst du mich«, erwiderte ich verschmitzt und kehrte zu meinem Platz vor der hoffnungsvollen Reiseberaterin zurück, die sich gleich noch härter für ihre Provision ins Zeug legen würde.
»Unter anderem«, sagte er, setzte sich zu mir und lieà sich von meiner Unternehmungslust anstecken, als wir unsere Möglichkeiten auszuloten begannen. Unter anderem deshalb liebte ich ihn.
Emma musste zugeben, dass St. Luke nicht gerade ein naheliegender Heiratsort war. Eigentlich hätte die Kirche die Bombe, die während der deutschen Luftangriffe darauf abgeworfen worden war, beziehungsweise das daraus entstandene Feuer, das vom Altar am einen Ende bis zum Turmaufgang am anderen gelodert hatte, gar nicht überstehen dürfen. Doch während das Dach und die gesamte Innenausstattung zerstört worden waren, stand der Bau aus hellem Sandstein aufrecht und unbeschadet. Der hohe, viereckige Glockenturm hatte keine Glocke mehr, und die Kirchenfenster waren ihrer Buntglasscheiben beraubt worden, aber wie durch ein Wunder ragte jede einzelne der neugotischen Fialen, die den Rand des fehlenden Dachs zierten, noch stolz und intakt in die Höhe. Die Kirche war eine Ãberlebende, und das hatte Emma angesprochen.
Gottesdienste wurden dort nicht mehr abgehalten, wohl aber nutzte man sie für diverse Konzerte und Kunstevents, weshalb die Hochzeitsplaner hartnäckig hatten verhandeln müssen, um sich den Termin zu sichern. Emma sollte um neun Uhr morgens zur Stelle sein; ihr Weckerläuten um sechs war jedoch ein Pappenstiel im Vergleich zu dem, was manche der freiwilligen Helfer auf sich genommen hatten. Sie hatten rund um die Uhr geschuftet, um alles rechtzeitig fertig zu bekommen.
»Jemand meint es gut mit dir«, sagte Meg zu ihr und sah zu den harmlosen, fedrigen Wolken auf, die langsam über den bei Sonnenaufgang noch rotglühenden Himmel trieben. Sie standen auf dem Balkon der Wohnung, und alles um sie herum glänzte von Regentropfen. Die Luft roch verheiÃungsvoll, der erste Frühlingstag versprach schön zu werden.
Emma war perfekt zurechtgemacht. Trotz ihrer dünn gewordenen Haare und der zwei beträchtlichen kahlen Stellen dort, wo die Strahlenbehandlung ihre verheerendste Wirkung getan hatte, hatte sie mittels der kreativen Verwendung eines Diadems und weiterer Accessoires eine standesgemäÃe Brautfrisur bekommen. Ihr grauer, blasser Teint und die dunklen Schatten unter den Augen waren mit einem
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