Fuer immer und einen Tag
wehmütig zu Ben und deutete auf die Bäume in der Allee. Sie hatten schon vielversprechende Knospen getrieben, würden ihre verborgene Schönheit jedoch erst wieder in ein, zwei Monaten enthüllen.
Wie aus dem Nichts kam ein Windstoà herbei, und Emma hörte die Ãste knarren. Ein seltsames Gefühl beschlich sie; sie kniff die Augen zusammen und merkte, wie sie in eine andere Welt hineingezogen wurde.
»Es dauert nicht mehr lange«, sagte Ben und legte den Arm um ihre Taille.
Jetzt war es nicht nur das Knarren der Ãste, das sie hörte. Sie hörte das Lachen ihrer Kinder und öffnete vertrauensvoll die Augen, blinzelte den hellen Sonnenschein fort und blickte in weiÃe Wolken aus Apfelblüten, die auf den schwungvoll schaukelnden Charlie herabregneten. »Nein, nicht mehr lange«, stimmte sie zu, während ihre Vision sich wieder in der Wirklichkeit auflöste.
SECHZEHNTES KAPITEL
M eine Finger bewegten sich langsamer über die Tastatur als früher, wie auch das Leben allgemein langsamer geworden war. Als Begleitung zu meinem rhythmischen Tippen ging der Regen drauÃen in schweren Tropfen nieder und trommelte auf das Fensterbrett. Das morgendliche Vogelkonzert hatte sich inzwischen auf das Gurren einer einzelnen Waldtaube reduziert, ansonsten war es ruhig.
Ich arbeitete mit dieser leise melancholischen Frühlingsballade im Ohr und war trotz des drängenden Abgabetermins für meinen neuen Roman recht entspannt. Stillvergnügt geradezu. Ich hörte auf zu schreiben und lieà das Geräusch meines Atems in die Musik mit einflieÃen. Die Luft schmeckte frisch und leicht metallisch, als ich sie tief in meine Lunge sog.
Vorsichtig meinen schmerzenden Rücken streckend stand ich auf und gähnte. Das Haus machte einen verlassenen Eindruck. Meine Küken waren aus dem Nest, doch das Verlustgefühl war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Ich ging aus dem Arbeitszimmer, und als ich kurz bei der Treppe anhielt, sah ich vor meinem inneren Auge ein Kind herunterhüpfen und auf mich zukommen. Rose als kleines Mädchen, mit leuchtendem Blick und einem Teddy im Arm, dahinter Charlie in seinem Superman-Kostüm. Unwillkürlich streckte ich die Arme aus, um ihn aufzufangen, als er zu fliegen versuchte. Dann Rose ein wenig älter, in ihrer Schuluniform, Charlie von hinten, als er in seinem FuÃballdress die Stufen hinaufstürmte, eine Spur aus Dreck hinter sich herziehend, aber ein Bad verweigernd. Charlie mit Hut und Talar, Rose in ihrem weiÃen Arztkittel, dann in ihrem Hochzeitskleid. Mir schwoll das Herz bei diesen Erinnerungen, und eine Welle aus Liebe und Stolz wogte durch mich hindurch.
Hinter mir hörte ich die Haustür auf- und zugehen, gefolgt von dem Scharren von Stiefeln auf der FuÃmatte, dem Rascheln einer Regenjacke und dem Tropfen des Wassers von den nassen Sachen. Ich drehte mich nicht um, stand nur da, gespannt. Erwartungsgemäà schlich Ben sich von hinten an, schlang die Arme um mich und vergrub sein kaltes, feuchtes Gesicht an meinem Hals.
»Du bist eiskalt!«, schimpfte ich, entzog mich ihm aber nicht.
»Worauf starrst du denn? Wartest du, dass die Kinder herunterkommen?«
»Ich weiÃ, dass sie aus dem Haus sind.« Ich drehte mich halb um, um ihn anzusehen. Die Regentropfen, die sich in seinen Stirnfurchen gesammelt hatten, rannen durch die feineren Fältchen um seine Augen, und als ich seine nasse Wange küsste, schmeckte der Frühlingsregen süÃ. »Aber sie werden immer meine Kleinen bleiben. Sie werden immer ein Teil von mir sein, was auch passiert.«
»Du hörst dich langsam wie deine Mutter an.«
Ich lächelte. »Das nehme ich als Kompliment. Sie hatte nicht so viel Glück wie ich. Sie hatte keinen Partner wie dich an ihrer Seite und hat es trotzdem geschafft, uns ein sicheres, stabiles Familienleben zu bieten. Louise und mir hat es nie an Liebe und Zuwendung gemangelt. Ihr brach fast das Herz, als ich damals auszog, aber sie blieb stark. Das Band zwischen Mutter und Kind ist unzerreiÃbar. Sie wusste das, und jetzt weià ich es auch.«
Ben küsste mich auf die Nase, und ich lehnte den Kopf an seine Brust. »Also, bist du bereit, das nächste Kapitel deines Lebens aufzuschlagen?«
Ich konnte ihn nicht ansehen. Die Zufriedenheit, mit der mich mein bisheriges Leben erfüllte, bedeutete nicht, dass ich weniger zögerte, den Blick auf die
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