Fuer immer und einen Tag
bemerkte Ben mit einem schelmischen Lächeln. »Also gibst du endlich nach? Machst du mich zur Hauptfigur an deiner Seite?«
Emma schüttelte lachend den Kopf. »Ich dachte, wir wären übereingekommen, nur Freunde zu sein. AuÃerdem, wie könnte ich einen ollen Käsehersteller zu meinem Helden machen?«
Ben schniefte pikiert. »Wer sagt denn, dass ich mich mit nur einem Traum zufriedengeben muss? Ich bin schlieÃlich noch jung«, sagte er, stockte dann aber. »Ich bin doch noch jung, oder? Ihr Schriftsteller und eure dichterische Freiheit â du hast mich doch nicht zu einem hässlichen alten Knacker gemacht?«
Emma sah sein ungepflegtes Abbild im Hawaiihemd vor sich. »Als ob ich Schindluder mit deinem tadellosen Image treiben würde«, sagte sie. »Du bist nicht alt, noch nicht, zumindest.«
»Noch nicht? Du hast also vor, mich eine Weile dabei sein zu lassen?«
»Sehn wir mal, was der Tag so bringt.«
»Der morgige Tag, meinst du wohl. Heute haben wir einen Berg zu besteigen«, mahnte er.
»Na und? Ich habe meinen Laptop im Rucksack.«
Ben schüttelte den Kopf, hütete sich jedoch, Einwände zu erheben. »Also komm, weih mich ein. Nehmen wir mal an, du hast deinen Traummann ins Visier genommen, wie soll dein neuer Lebensabschnitt aussehen?«
Emma sah nach vorn, aber nicht auf die StraÃe, die sich frei vor ihnen erstreckte, sondern auf einen fernen Punkt in der Zeit. »Ich habe noch keine klaren Vorstellungen. Mag sein, dass ich nach England zurückkehre, aber wer weiÃ, vielleicht lasse ich mich auch in Wales nieder«, sinnierte sie, als sie am Wahrzeichen des walisischen Drachen vorbeifuhren, das mit Winterstiefmütterchen am StraÃenrand gepflanzt war.
»Ein altes Steincottage in den Hügeln mit Blick auf ein üppig grünes Tal, durch das sich das silberglänzende Band eines Flusses schlängelt.«
Emma prustete. »Meine literarischen Ambitionen färben offenbar auf dich ab!«
»Das und die romantische Aussicht«, sagte er, mit dem Kopf auf die Berge und Täler zu beiden Seiten deutend. Ãber ihnen lugte der blaue Himmel nur in Form vereinzelter Flecken durch die Wolken hindurch, aber dort, wo die Sonne hervorkam, überzog sie die graue Landschaft mit kräftigen Farben.
»Ja, ich glaube, ich kann mich in einem kleinen Cottage sehen«, stimmte sie zu und lieà ihre Gedanken schweifen. Sie träumte sich in die malerische Umgebung hinein, die Ben skizziert hatte, und stellte sich vor, wie sie an der Tür ihres Cottages stand, zuerst als junge Frau, dann langsam älter werdend. Ein Mann stand hinter ihr und hatte die Arme um sie gelegt, während sie zusammen in die hügelige Landschaft blickten. Sie lachten, als ein kleines Mädchen sich an ihnen vorbeidrängte und ihrem kleinen Bruder hinterherjagte, der mit unsicheren Schritten auf eine Schaukel an einem Apfelbaum zulief, von dem es rosaweiÃe Blüten herabregnete. Der Mann lieà sie los, damit sie den Kindern nachlaufen konnte, und holte seine Kamera heraus, um die idyllische Szene einzufangen. »Ehrlich gesagt kann ich mich dort sogar für eine lange Zeit sehen.«
Als sie sich ihrem Ziel näherten, waren die ringsherum aufragenden Gipfel immer noch genauso wolkenverhangen, wie Emma sie von der Wohnung aus erspäht hatte. »Meinst du, es wird aufklaren, bis wir oben ankommen?«, fragte sie. Beim letzten Mal hatte sie den Moel Famau an einem herrlichen Sommertag bestiegen, und der Blick war atemberaubend gewesen.
»Wir sollten uns für alle Fälle warm einpacken. Wenn oben am Gipfel immer noch der Nebel hängt, wird es ungemütlich, dann sieht man manchmal die Hand vor Augen nicht. Wir könnten auch nur bis zur Wolkendecke gehen und dann umkehren«, schlug er vor.
»Willst du schon einen Rückzieher machen?«
»Keineswegs, ich bin auf die ganze Strecke eingestellt.«
Emma wurde still, als Ben auf den Parkplatz inmitten von steilen Berghängen fuhr, deren dichter Kiefernbewuchs weiter oben im Dunst verschwand. Der Zorn, der sie dazu getrieben hatte, aus der Enge der Wohnung auszubrechen, hatte sich verflüchtigt, und sie dachte kaum noch an ihren Vater. Ihre Krankheit dagegen konnte sie nicht so leicht hinter sich lassen, und sie spürte, wie sie sich vor Angst verkrampfte. Sie blickte auf ihre bebenden Hände hinunter, stopfte sie in die Jackentasche und
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