Fuer immer und einen Tag
Luxus wird mir wohl nicht vergönnt sein«, fuhr Emma fort, »aber was ich habe, ist ein kleines Zeitfenster zwischen jetzt und dem 23. Januar. Ich möchte das bisschen Freiheit, das mir bleibt, genieÃen, Mum. Bitte, lass mich gehen.«
Meg hielt immer noch den Blick gesenkt und hackte einen Apfel in Stückchen, die nach und nach so winzig wurden, dass sie beinahe in dem Schneidbrett verschwanden. »Versprich mir, vorsichtig zu sein«, bat sie.
»In Ordnung.«
»Tu nichts Unüberlegtes.«
»Nein, bestimmt nicht«, sagte Emma. »Wir reden in Ruhe miteinander, wenn ich zurück bin. Und vielleicht solltest du Louise schon mal vorwarnen. Ich will wissen, warum sie ihm meine E-Mail-Adresse gegeben hat.«
»Hat er irgendetwas von Geld erwähnt?«, fragte Meg gepresst.
»Nein, aber wahrscheinlich wendet er sich in der Angelegenheit an Louise. Es hört sich jedenfalls so an, als stünde er finanziell gut da, also haben wir vielleicht Glück.« Emma ging zögerlich auf ihre Mutter zu, bis sie dicht hinter ihr stand, und lehnte den Kopf an ihre Schulter. »Frohes neues Jahr, Mum«, sagte sie leise.
Meg gab einen Laut von sich, der ein bisschen nach Lachen und sehr nach Weinen klang. »Das hoffe ich, Emma. Oh Gott, das hoffe ich.«
Es war ein kalter Tag, aber der Himmel über Liverpool klarte auf, als Emma und Ben nach Nordwales aufbrachen. Meg hatte geholfen, das Auto mit genug Vorräten und Utensilien für jede Eventualität zu beladen, darunter eine ganze Tüte voller Medikamente, um der Tollkühnheit ihrer Tochter etwas entgegenzusetzen.
»Sie schien nicht sehr gut auf mich zu sprechen zu sein«, bemerkte Ben, als sie endlich losfuhren. »Fühlst du dich wirklich fit genug dafür?«
»Ich kenne meine Grenzen«, versicherte Emma ihm und lobte im Stillen den Drogencocktail, den sie sich einverleibt hatte und der die Kopfschmerzen von heute früh erfolgreich vertrieben hatte. »Wenn ich es mir nicht zutrauen würde, hätte ich dich nicht angerufen. Wir sind damals mit der Schulklasse auf den Moel Famau gestiegen, also weià ich, was ich tue.«
»Daran habe ich nie gezweifelt«, sagte Ben, der wusste, dass es Zeit war, das Thema zu wechseln. »Tolle Neuigkeit übrigens, das mit der Therapie in den USA.«
»Ich wünschte, ich könnte mich genauso darüber freuen wie alle anderen«, sagte Emma, als sie in das gähnende Maul des Mersey-Tunnels hineinfuhren. »Verstehst du, ich werde um die halbe Welt geschickt, um eine Therapie über mich ergehen zu lassen, die nicht nur die Krebszellen, sondern auch so ziemlich alle anderen Zellen in meinem Körper angreifen wird.«
»Aber es muss doch eine Chance bestehen, dass sie hilft«, wandte Ben ein, und der hoffnungsvolle Unterton in seiner Stimme klang nur allzu vertraut in ihren Ohren.
»Das würde ich gern glauben, aber realistisch betrachtet wird dieses Monster in meinem Kopf mich letztendlich umbringen«, sagte sie ernst. »Ich möchte, dass du das verstehst, Ben. Diese Behandlung verschafft mir vielleicht etwas mehr Zeit, aber es ist keine nachgewiesene Heilmethode.«
Das Gespräch war nicht gerade ein guter Auftakt für den Tag, doch sie fühlte sich schon schlecht genug, weil sie wusste, was sie ihrer Familie zumutete. Sie musste ihm reinen Wein einschenken, ihr Gewissen verlangte es.
»Na, umso mehr Grund, das Hier und Jetzt auszukosten«, sagte Ben, und es lag ein Zwinkern in seinen Augen, als das Tageslicht, das plötzlich vom Ende des Tunnels hereinfiel, seine Züge erhellte.
Der Moel Famau war noch eine gute Stunde Fahrt entfernt, und es dauerte nicht lange, bis er das Gespräch auf ihr Buch lenkte.
»Also, erzähl mal, wohin hat es dich jetzt verschlagen?«, fragte er. »Bist du schon vom Amazonas zurück?«
»Ja.«
»Und?«
»Ich denke noch über die weitere Entwicklung nach«, sagte sie.
»Aha«, machte Ben. »Könnte es sein, dass du eventuell vorhast, meine Vorschläge mit einzubeziehen?«
»Mir ist klar geworden, dass ich mein Leben nicht einem Unternehmensapparat widmen möchte, ohne etwas zurückzuverlangen. Ich habe viele der schönsten Ecken der Welt gesehen, aber auch wie eine Nomadin gelebt. Jetzt ist vielleicht der Zeitpunkt gekommen, ein paar Wurzeln zu schlagen.«
»Hm, ich weià gar nicht, wo du diese Idee herhast«,
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