Fuer immer und ledig - Roman
jetzt, warum sie mich Jörg nennen wollen?«
»Weil ich’s ihnen noch nicht erzählt habe.«
»Warum hast du’s ihnen noch nicht erzählt?«
»Weil es mir peinlich ist, dass ich durchschnittlich einmal im Jahr heulend angetaumelt komme, weil mich mal wieder so ein Mistkerl mit einer anderen betrogen hat.«
»Was hat Jörg eigentlich gesagt, warum er …?«
Ich winkte ab.
»Du hast gar nicht mit ihm geredet?«
»Ich kenn die Antwort doch schon. Er wird das Gleiche sagen wie alle anderen. Dass ich zu schnell zu viel wollte. Blablabla. Warum sollte ich also mit ihm reden?«
Er runzelte die Stirn. »Vielleicht lässt du’s einfach mit den Männern, hm?«
Wahrscheinlich gar nicht mal die schlechteste Idee. Tiffy zum Beispiel fuhr damit ziemlich gut, sie hatte jetzt schon seit fast drei Jahren eine feste Beziehung mit einer verboten attraktiven, wenn auch für meinen Geschmack
etwas dürren Balletttänzerin, und die beiden verstanden sich immer noch prächtig.
»Ich gebe Marc noch eine Chance«, entschied ich. »Immerhin hat er mir die Blumen geschickt, das ist doch ein Zeichen von seiner Seite. Und er kann ja nicht einfach so Hals über Kopf seine Verlobte sitzen lassen.«
»Meine Güte, er will zweigleisig fahren, verstehst du’s denn nicht?!«, verzweifelte Rupert.
Ich ignorierte ihn. »Was wäre er denn für ein Kerl, wenn er sich so schnell zu was hinreißen lassen würde? Da muss man ihm doch wenigstens ein bisschen Zeit geben«, verteidigte ich Marc.
Rupert grunzte und parkte verboten vor der Baustelle der Elbphilharmonie. »Da sind wir.«
Meine Eltern hatte die lästige Angewohnheit, überall eine halbe Stunde zu früh aufzuschlagen. Mindestens. Meine Mutter rechnete bei allen Strecken, die länger als ein Kilometer waren, mit jeder erdenklichen Katastrophe, von der Massenkarambolage bis hin zu einem Erdrutsch. Ich hatte erst einmal erlebt, dass die beiden für ihre Verhältnisse spät dran waren. Das war bei einem meiner Hochschulkonzerte. Um halb acht hatte es anfangen sollen, um sieben war weit und breit noch nichts von ihnen zu erahnen, und als Vater dann um fünf nach sieben mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz bretterte, war ich ehrlich gesagt schon etwas erleichtert, weil ich mir tatsächlich Sorgen gemacht hatte. Eine Minute später kamen die beiden zum Eingang gehechtet
und keuchten: »Das war knapp. Fast hätten wir’s nicht mehr geschafft. Du kannst dir nicht vorstellen, was da los war. Die ganze Autobahn ein einziger Stau! Meinst du, sie lassen uns noch rein?« Ich sah auf die Uhr: sieben Minuten nach sieben.
Diesmal waren wir eine Dreiviertelstunde zu früh.
Im »Carls« wurde das Personal ausgebildet, das später dann im teuersten Hotel der Stadt, dem »Louis C. Jacob« an der Elbchaussee, arbeiten würde. Das »Carls« lag direkt gegenüber der noch im Bau befindlichen Elbphilharmonie in der HafenCity. Im vorderen Teil befand sich ein Bistrobereich mit einfachen Holztischen, an den Wänden waren deckenhohe Regale mit Gewürzen, Ölen, Tees und anderen Feinigkeiten, die man kaufen konnte. Im hinteren Teil gab es eine Brasserie. Dort hatte man Blick auf die Elbe und die wesentlich umfangreichere Speisekarte. Und vor allem gab es in der Brasserie Steaks für meinen Vater.
Wir saßen noch nicht richtig, da quälten meine Eltern das Personal schon mit ausufernden Fragen zu den einzelnen Gerichten. Anschließend quälten sie Rupert mit ebenso ausufernden Fragen zu seinem Leben.
»Sie sind also Sopran?«, fragte Mutter.
»Mutter, ein Mann ist kein Sopran. Wenn dann Tenor«, zischte ich.
»Sie sind also Tenor?«, fragte Mutter im exakt gleichen Tonfall wie zuvor.
»Ich bin der Agent Ihrer Tochter«, sagte Rupert artig.
»Aber Sie singen doch?«, fragte sie unbeirrt weiter.
»Nein, das war der Ex Ihrer Tochter«, erklärte mein Agent wahrheitsgemäß.
»Jörg war außerdem Bassbariton«, fügte ich hinzu.
»Aber Jörg sagt doch gerade, dass er nicht singt«, protestierte Mutter.
»Weil das nicht Jörg ist, sondern Rupert.«
»Aber Sie können mich ruhig weiterhin Jörg nennen«, sagte Rupert beruhigend.
Mutter war kurz verwirrt, fing sich aber schnell. »Also Sie singen nicht. Was machen Sie sonst so?«
»Ich bin schwul«, fand es Rupert an der Zeit zu sagen.
»Dann sind Sie also Tänzer?«
»Nein. Ich bin der Agent Ihrer Tochter. Immer noch.«
»Ach. Aber wozu braucht sie einen Agenten? Ist das so was wie ein Anwalt?«
In der Art würde es endlos
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