Fuer immer und ledig - Roman
dachte eine Zeit lang, ich hätte mich
nur in Fina verliebt, weil sie dir so ähnlich war. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich wirklich Fina liebe. So wie sie ist. Das ist mir in den letzten Tagen ganz klargeworden.«
Und was ist mit mir?, wollte ich fragen, hielt mich aber mit aller Macht zurück. Stattdessen sagte ich: »Guter Geschmack braucht Zeit. Vielleicht ist es bei dir ja in ein paar Jahren so weit.«
»Kein Grund, verletzend zu werden«, sagte Marc müde.
Wenn ich verletzend war, was war dann er? Ein Kampfjet?
»Okay, sie liebt dich also wirklich, und du liebst sie. Und was ist mit mir?« Jetzt hatte ich es also doch gefragt.
Er zuckte hilflos die Schultern. »Damals war ich in dich verliebt. Ehrlich und aufrichtig. Aber irgendwie sollte aus uns wohl nichts werden.«
»Wer weiß, wozu das gut war«, knurrte ich, ohne es wirklich zu meinen.
Er ging darüber hinweg. »Als ich dich wiedersah, kamen die alten Gefühle hoch. Und das war ein paar Tage lang auch ganz wunderbar. Aber… hast du denn nicht auch das Gefühl, dass wir uns verändert haben? Alle beide? Wir haben uns weiterentwickelt. Wir sind nicht mehr so wie vor sechs Jahren.«
Wenn ich jetzt sagte: Doch, ich schon!, wie würde das klingen? Dass ich sechs Jahre lang auf der Stelle getreten war? Das Schlimme daran war, dass ich mich vermutlich wirklich sechs Jahre lang nicht besonders weiterentwickelt
hatte. Marc dagegen war um die ganze Welt gereist und machte steil Karriere. Und ja, er hatte sich verändert. Nicht nur äußerlich, nicht nur in Bezug auf seine Kleidung. Er war ein anderer als der Marc, den ich damals geliebt und im Herzen bewahrt hatte.
Er hatte ja so Recht.
Und jetzt liebte ausgerechnet dieser Mann meine Schwester.
»Tilly«, sagte er. »Es tut mir leid, dass es so gelaufen ist. Wir haben da beide einen großen Fehler gemacht. Aber darf ich dich trotzdem um einen großen Gefallen bitten, den allergrößten überhaupt?«
Er hatte wirklich Nerven. Servierte mich ab, zerstörte meine Träume, bat mich um einen Gefallen.
»Was?«, fragte ich erschöpft.
»Sag Fina bitte nie was. Nie.«
Ich verdrehte die Augen. »Das war’s schon?«
Er nickte.
»Kein Problem. Ich rede sowieso nie mit ihr.«
»Danke.«
»Bist du deshalb gekommen?«
Er nickte. »Ich hatte Angst, du würdest irgendwas Gemeines planen. Weil du dich so in die Vorbereitungen für die Hochzeit gestürzt hast.«
Ich winkte ab. »Quatsch«, log ich.
Er wirkte etwas zerknirscht. »Ich konnte es mir auch nicht wirklich vorstellen, aber ich dachte, ich frag dich lieber … Um ganz sicherzugehen …«
Und da verstand ich, was er mir schon die ganze Zeit
sagte, was ich aber nicht hatte kapieren wollen. »Sie bedeutet dir wirklich viel, hab ich Recht?«, fragte ich leise.
Er nickte, und ich schluckte.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte ich tapfer. »Was passiert ist, ist zwischen den Menschen passiert, die wir vor sechs Jahren waren. Das hat nichts mit Fina zu tun. Von mir erfährt sie nichts.« Ich sah ihm fest in die Augen. »Versprochen. Ihr werdet einen super Polterabend haben, und morgen eine super Hochzeit. Ganz ehrlich.«
Dann umarmte er mich ein letztes Mal. Er fühlte sich nicht einmal mehr halb so gut an, wie ich es mir gewünscht hätte.
Manchmal stirbt die Liebe einfach so.
»Tilly, eine Frage noch. Wieso warst du dir so sicher, dass ich dich jahrelang nicht vergessen hatte?«
»Wegen der Blumen natürlich.«
»Welche Blumen?«
20
Meine Eltern standen schon um zwei Uhr auf der Matte und fragten, wann es denn losginge. Wir hatten die ersten Programmpunkte ab vier geplant. Tiffy würde über den Abend verteilt dreimal spielen, jedes Mal eine Art Medley aus einer bestimmten Epoche, dazu passend kostümiert. Tim hatte sich bereiterklärt, sie auszustaffieren.
Ich musste zweimal spielen: einmal mit Jörg, einmal solo. Den Soloteil hatte ich für ganz früh eingeplant, in der Hoffnung, dass dann noch nicht so viele Leute anwesend sein würden. Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, mein Bauch fühlte sich an, als hätte ich Nägel verspeist, meine Hände waren eiskalt, und über meinen Blutdruck gab es auch nichts wirklich Erbauliches zu sagen. Nachdem ich so viele Jahre nicht alleine vor Publikum gespielt hatte, war mein Lampenfieber kaum mehr zu ertragen.
Aber vielleicht war es auch gar kein Lampenfieber. Vielleicht war es der geballte Kummer, das gesammelte Elend, die galoppierende Leere, vielleicht war es das, was ich eben fühlen
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