Für immer untot
fragte Apollo scharf.
»Du bist ein Gott und weißt es nicht?«
Er kniff die Augen zusammen und bedachte mich mit einem warnenden Blick.
»Werd nicht respektlos, Herophile.«
»Ich heiße Cassandra.«
»Ein schlechter Name für die Pythia. Die andere Kassandra hat sich meinem Willen widersetzt und es bereut. Mach nicht den gleichen Fehler.«
Es war selbst für mich mehr als nur ein bisschen surreal, in der Schuhabteilung von Wal-Mart mit einem Gott über einen Mythos zu reden. Der Verkäufer behielt mich vom nächsten Gang mit einer Mischung aus Argwohn und Nervosität im Auge. Er sagte nichts. Vielleicht hatte er viele Kunden, die mit ihren Schuhen redeten, bevor sie sie kauften.
»Es ist mein Name, und ich gebe mir alle Mühe. Drohungen führen mich nicht schneller zum Ziel.«
»Dann finde etwas anderes, das dich schneller dorthin bringt«, erwiderte Apollo schlicht und verschwand.
Ich seufzte und widerstand der Versuchung, den Kopf immer wieder ans Metallregal zu schlagen. Der Verkäufer lugte hinter den Größe-Zwölf-Kartons hervor und schien sich zu fragen, ob er die Polizei verständigen sollte. Oder vielleicht die Psychiatrie. Ich beschloss, kein Risiko einzugehen.
Ich hielt ein Paar rote Wannabes hoch. »Haben Sie die in Größe neun?«
Vierzehn
Am nächsten Morgen schlüpfte ich in Pritkins Zimmer, auf der Suche nach der Rune, die ich Radella versprochen hatte. Kaum war ich drin, blieb ich abrupt stehen. Ich hatte erwartet, dass die Suche nicht lange dauern würde; aus irgendeinem Grund war ich davon ausgegangen, dass Pritkin seine Sachen mit militärischer Präzision aufbewahrte. Aber von wegen.
Das Bett war nicht gemacht, und auf dem Boden lagen Kleidungsstücke verstreut – es sah aus, als hätte sich in dem Raum ein Orkan ausgetobt. Ich musste Pritkin recht geben: Es roch tatsächlich in seiner Unterkunft. Was aber nicht unbedingt an den früheren Bewohnern liegen musste. Vielleicht war es auf die stinkenden Tränke zurückzuführen, die auf einem Regal an der Wand standen.
Das wacklige Ding befand sich direkt über dem Bett, was mich besorgt hätte, denn immerhin waren die meisten Sachen, die Pritkin mit sich herumschleppte, tödlich. Aber vermutlich hatte er gar keine andere Wahl gehabt, als sie aufs Regal zu stellen. Den Platz an der gegenüberliegenden Wand beanspruchte ein Schrank, eine Tür befand sich in der zum Klub hin gelegenen Wand, und ein großes Buntglasfenster zierte die letzte Wand.
Die Fenster waren Dante’s Wahrzeichen, und ich vermutete, die Architekten hatten das hier nach hinten gesetzt, weil seine gotische Pracht nicht zum Tiki-Motto der Bar passte. Das Resultat eines so großen Fensters in einem so kleinen Zimmer bestand darin, dass alles in kostbare Farben getaucht war: rubinrot, saphirblau, smaragdgrün und perlweiß. Verschwommene Fleckenmuster lagen auf der Decke, und auf dem Boden bildete das bunte Licht hier und dort helle Lachen. Ich fragte mich, wie man unter solchen Bedingungen schlafen konnte.
Widerstrebend machte ich mich an die Arbeit, und bald galten meine sorgenvollen Gedanken nicht den Dingen, die ich fand, sondern dem, was ich nicht fand. Abgesehen von einigen zusammengeknüllten TShirts und genug Feuerkraft, um ein kleines Land zu erobern, entdeckte ich: mehrere Jeans, ein neues Paar Turnschuhe, einige Toilettenartikel und noch in ihrer Verpackung steckende Socken. Alle Einkäufe waren ganz offensichtlich von jemandem getätigt worden, der es eilig hatte und niemanden beeindrucken wollte. Pritkin ersetzte nur einige notwendige Dinge, weil er nicht wagte, zu seinem Apartment zurückzukehren und sich aus seiner dortigen Garderobe zu bedienen. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Immerhin war der Silberne Kreis hinter ihm her, aus ein oder zwei Dutzend guten Gründen, und die meisten davon standen mit mir in Zusammenhang. Aber es erklärte nicht, wo die schwarzen Sachen seines Alter Egos verstaut waren.
Schließlich nahm ich einen kleinen Holzkasten vom Nachtschränkchen. Ich hatte ihn ganz bewusst bis zum Schluss aufgespart, in der Hoffnung, dass ich den Runenstein in einer Socke fand und nicht in etwas nachsehen musste, das mir praktisch Das ist persönlich! zurief. Wenn ich die verdammte Rune nicht so dringend benötigt hätte, wäre ich schon längst aus dem Zimmer verschwunden gewesen. Mir blieb nichts anderes übrig – zögernd klappte ich den Deckel auf.
Eine Rune war nicht in Sicht, dafür aber einige vergilbte Briefe und ein stark
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