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Für Menschen ungeeignet

Für Menschen ungeeignet

Titel: Für Menschen ungeeignet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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Berührung, ein Gedanke? Es brauchte nicht viel, wußte er, und streckte sich, um noch einmal herzhaft zu gähnen.
    »Hilf mir!« sagte eine Stimme.
    Seine Muskeln zuckten zusammen, und da er gleichzeitig gähnte, bekam er fast eine Maulsperre. Er setzte sich kerzengerade auf, dann grinste er und entspannte sich wieder.
    »Du mußt mir helfen«, beharrte die Stimme.
    Anders bückte sich und langte nach einem seiner polierten Schuhe. Er konzentrierte sich ganz darauf, die Schnürsenkel zu binden.
    »Kannst du mich hören?« fragte die Stimme. »Das kannst du doch? Hallo?«
    Das reichte. »Ja, ich kann dich hören«, sagte Anders, der die Sache mit bestem Humor ertrug. »Erzähl mir nicht, du wärst die Stimme meines Gewissens oder mein schuldbewußtes Unterbewußtsein, das mich wegen eines Kindheitstraumas anmachen will, um das ich mich nie richtig gekümmert habe. Ich nehme an, du willst, daß ich in ein Kloster eintrete.«
    »Ich weiß nicht, wovon du da redest«, sagte die Stimme. »Ich bin niemandes Unterbewußtsein. Ich bin ich. Hilfst du mir?«
    Anders glaubte soviel an Stimmen, wie jeder andere das auch tut, was heißt, er glaubte nicht im geringsten daran, bis er nun eine hörte. Schnell checkte er die Möglichkeiten durch. Schizophrenie war natürlich die beste Antwort und eine, der seine Kollegen sofort zustimmen würden. Aber Anders besaß ein beklagenswert festes Zutrauen zu seiner geistigen Gesundheit. In diesem Fall -
    »Wer bist du?« fragte er.
    »Ich weiß nicht«, sagte die Stimme.
    Anders erkannte, daß die Stimme aus dem Inneren seines eigenen Geistes zu ihm sprach, aus seinem Kopf sozusagen. Sehr verdächtig.
    »Du weißt also nicht, wer du bist«, stellte Anders fest. »Na gut. Wo bist du?«
    »Ich weiß das auch nicht.« Die Stimme schwieg einen Augenblick. »Schau mal, ich weiß ja, wie lächerlich das alles klingt. Glaube mir, ich befinde mich in einer Art Limbo. Ich weiß nicht, wie ich hier wieder rauskommen kann und wer ich bin, aber ich will ganz verzweifelt weg von hier. Willst du mir helfen?«
    Noch immer gegen die Idee ankämpfend, daß es in seinem Kopf Stimmen gab, wußte Anders, daß seine nächste Entscheidung von vitaler Bedeutung war. Er mußte ablehnen oder akzeptieren, daß er verrückt war.
    »Gut«, sagte Anders und band sich den andern Schuh zu. »Ich will mal davon ausgehen, daß du eine Person in Schwierigkeiten bist und dich in einer Art telepathischen Kontakt mit mir befindest. Kannst du mir sonst noch etwas über dich sagen?«
    »Ich fürchte nicht«, sagte die Stimme mit unendlicher Traurigkeit. »Du mußt alles selbst herausfinden.«
    »Kannst du niemanden anderes kontaktieren?«
    »Nein.«
    »Wieso kannst du dann überhaupt mit mir sprechen?«
    »Keine Ahnung.«
    Anders ging zum Ankleidespiegel und band sich die dunkle Krawatte um, wobei er vergnügt vor sich hin summte. Nachdem er gerade entdeckt hatte, daß er verliebt war, konnte er sich nicht noch wegen einer Kleinigkeit, wie einer Stimme in seinem Kopf, Sorgen machen.
    »Ich verstehe wirklich nicht, wie ich dir helfen könnte«, sagte Anders und schnippte sich ein paar Flusen vom Jackett. »Du weißt nicht, wo du bist, und es scheint keinerlei Orientierungspunkte zu geben, die zu deinem derzeitigen Aufenthalt führen. Wie soll ich dich da finden?« Er wandte sich noch einmal an der Tür um und ließ seinen Blick durchs Zimmer wandern, ob er irgend etwas vergessen hätte.
    »Ich weiß, wenn du mir nahe bist«, sagte die Stimme. »Du bist jetzt gerade ziemlich warm und das bist du dann, wenn du näher kommst.«
    »Jetzt gerade?« Alles, was er getan hatte, war durch den Raum zu blicken. Er tat es noch einmal und drehte dabei langsam seinen Kopf. Und dann passierte es.
    Der Raum sah aus einem bestimmten Winkel anders aus. Er wurde plötzlich zu einer Mischung verwischter Farben statt der vertrauten, sorgsam aufeinander abgestimmten Pastelltöne. Die Linien der Wände, des Fußbodens und der Decke hatten auf seltsame Art ihre Proportionen verloren und sich in ein unzusammenhängendes Zickzack verwandelt.
    Dann wurde alles wieder normal.
    »Du warst gerade sehr warm«, sagte die Stimme.
    Anders widerstand dem Verlangen sich am Kopf zu kratzen, denn daß hätte sein sorgfältig gekämmtes Haar durcheinander gebracht. Was er gerade gesehen hatte, war nicht so ungewöhnlich. Jeder sieht ein- oder zweimal in seinem Leben Dinge, die ihn an seiner Normalität zweifeln lassen, an seiner geistigen Gesundheit, an der Existenz

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