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Für Menschen ungeeignet

Für Menschen ungeeignet

Titel: Für Menschen ungeeignet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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Augenblick in seinem Zimmer. Diesmal war es eher so, als beobachte er eine Maschine in einem Laboratorium. Zweck dieser Maschine war die Erzeugung und Erhaltung bestimmter Emdionen. Die Maschine rief aus ihrem Speicher bestimmte Assoziationsketten ab, die sie ausprobierte, bis sie das Gewünschte gefunden hatte.
    »Du denkst an mich …?« fragte er, von seiner neuen Betrachtungsweise begeistert.
    »Ja … ich dachte, was du wohl heute nachmittag gerade machtest«, sagte die Emotionsmaschine ihm gegenüber auf der Couch, während sich dabei ihr ausgeprägt geformter Brustkasten leicht verschob.
    »Von dir träumen, natürlich«, sagte er zu dem Fleisch behangenen Skelett hinter der zusammengesetzten Gestalt Judy. Die Menschmaschine veränderte die Stellung ihrer Gliedmaßen zu einer Pose mit einer bestimmten Funktion, während sich ihr Mund leicht öffnete, um Freude anzuzeigen. Der Mechanismus suchte aus einem Komplex von Ängsten, Hoffnungen, Sorgen und halb verschütteten Erinnerungen analoge Situationen heraus, analoge Lösungen.
    Und das war, was er liebte. Anders sah das Objekt seiner Zuneigung zu deutlich und haßte sich selbst dafür. In seiner neuen alptraumhaften Wahrnehmungsart sah Anders den ganzen Raum plötzlich als etwas erschreckend Absurdes.
    »Hast du das wirklich?« fragte ihn das artikulierende Skelett.
    »Du kommst näher«, flüsterte die Stimme.
    Wem? Der Persönlichkeit? Es gab nichts Derartiges. Es gab keine wirkliche Verbindung in dem Gespinst der Emotionen, keine Tiefe, nur ein Netz von oberflächlichen Reaktionen, das über ein Gerüst unverrückbarer chemisch festgelegter Instinkte gebreitet war.
    Er kam der Wahrheit näher.
    »Sicher«, sagte er säuerlich.
    Die Maschine summte los, die passende Antwort zu finden.
    Anders fühlte eine rasch vergehende Anwandlung von Furcht vor der völlig fremden Qualität dieser neuen Perspektive. Er hatte alle vorgeprägten Wahrnehmungsmuster abgeschüttelt und seine Erkenntnisfähigkeit von allen Emotionen befreit. Was würde sich ihm als nächstes enthüllen?
    Es sah alles so deutlich, erkannte er, wie vielleicht noch kein Mensch vor ihm. Es war ein seltsam aufregender Gedanke.
    Aber konnte er noch in die Normalität zurückkehren?
    »Soll ich dir noch einen Drink holen?« fragte die Emotionsmaschine.
    In diesem Moment war Anders so wenig verliebt, wie ein Mann nur nicht verliebt sein kann. Sein Liebesobjekt als ein depersonalisiertes, geschlechtsloses Stück chemischer Maschinerie zu sehen, ist nicht gerade sehr verführerisch. Aber es kann sehr stimulierend sein, intellektuell jedenfalls.
    Anders wollte in keine Normalität zurück. Ein Vorhang war vor ihm hochgezogen worden und er wollte sehen, was dahinter lag. Wie hatte da jemand – war es nicht ein russischer Wissenschaftler, ja, Ouspensky war es gewesen – so richtig gesagt?
    »Denke in anderen Kategorien.«
    Genau damit hatte er begonnen, und er wollte damit fortfahren.
    »Wiedersehen«, sagte er plötzlich.
    Die Maschine beobachtete ihn mit aufgerissenem Mund, während er zur Tür ging. Eine vorübergehende Überforderung des Assoziationsmechanismus brachte die Maschine zum Schweigen, bis sie die Aufzugtür zufallen hörte.
    »Du warst sehr warm da drinnen«, wisperte die Stimme in seinem Kopf, als er auf die Straße trat. »Aber du verstehst noch nicht alles.«
    »Dann erklär’ es mir«, sagte Anders und staunte ein wenig über seine eigene Anpassungsfähigkeit. In einer knappen Stunde hatte er zu einer völlig neuen Sicht der Realität gefunden, aber er kam ganz natürlich damit zurecht.
    »Ich kann nicht«, sagte die Stimme. »Du mußt es selbst herausfinden.«
    »Also sehen wir mal zu«, begann Anders. Er sah sich die Massen von Mauerwerk in seiner Umgebung an, die als Straße bezeichnete Linienführung, die den architektonisch organisierten Betonklumpen durchschnitt. »Das menschlich Leben«, sagte er, »ist eine Kette von Konventionen der Wahrnehmung. Wenn du ein Mädchen ansiehst, verlangt die Konvention von dir, ein Muster zu erkennen – nicht die darunter liegende Formlosigkeit.«
    »Das stimmt«, sagte die Stimme, jedoch mit einem leichten Zweifel im Unterton.
    »Im Grunde gibt es gar keine Formen. Der Mensch produziert in seinem Hirn Gestalten, mit denen er Formen aus dem Nichts schneidet. Es ist so, als ob man auf eine Rorschach-Figur schaut und dann sagt, sie stelle etwas Bestimmtes dar. Wir betrachten eine Materieballung, lösen sie von ihrem Hintergrund und sagen, das ist

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