Fuer Wunder ist es nie zu spaet
gemein sein?«
»Muss ich das? Muss ich nicht. Aber vielleicht will ich es ja.«
Jens räuspert sich und schaut Karin tief in die blutunterlaufenen
Augen.
»Weißt du was, das hier muss ich mir nicht bieten lassen. Ich bin
erwachsen, und wie es mir damals ergangen ist, das habe ich . . . Das habe ich
hinter mir gelassen. Es ist vorbei. Und ich bin zu dir niemals gemein gewesen.
Im Gegenteil. Du bist zu mir nach Hause gekommen und hast meine Dusche benutzt,
wenn du dich eingesaut hattest. Du durftest hinten auf meinem Fahrrad fahren
und mit uns zu Abend essen, wenn du hungrig warst. Ich war immer für dich da.
Bis du abgehauen bist. Und dann hast du diese Briefe geschrieben, weil du
dachtest . . . Aber das hier, das muss ich mir wirklich nicht antun. Das ist
unter meiner Würde.«
Jens macht die protzige Flügeltür auf, geht hinaus und schließt die
Tür leise hinter sich. Sein Herz rast. Der Schweiß rinnt ihm an den Seiten
hinunter. Nein, das ist unter seiner Würde. Das geht einfach nicht. Nicht das
hier. Er muss nach Hause. Muss hier weg.
»Karin scheint heute krank zu sein, irgendwas mit dem
Magen. Josefin ist oben und sieht nach ihr, aber wir anderen machen unbeirrt
weiter! Oder? Jens, heute sollten wir probieren, im Wasser zu schwimmen, oder?«
Jens sitzt in den etwas sehr weit hoch gezogenen Shorts da und
betrachtet seine Hände. Dreht und wendet sie, aber lässt den Blick nicht von
ihnen.
»Jens?«
»Ich glaube, mir geht es auch nicht so gut.«
»Ehrlich? Es war doch wohl nichts mit dem Essen gestern? Obwohl, du
hast ja gar nichts gegessen. Vielleicht liegt es daran? Hast du auch Probleme
mit dem Magen, Alex?«
Alex schüttelt den Kopf.
»Dann leg dich doch ein wenig hin und ruh dich aus, Jens, und heute
Nachmittag sehen wir, ob es dir besser geht. Wir können auch dann erst
weitermachen, das ist kein Problem. Alex und ich haben genug Dinge, an denen
wir üben müssen, das macht also nichts. Und ich bin eine Nachteule, ich
trainiere auch gern heute Abend mit dir, das wird sicher nett. Okay?«
Jens steht auf, schiebt die Füße in die Sandalen, faltet das Handtuch
zusammen und geht ganz vorsichtig über den Kies auf die geöffneten Türen des
Speisesaals zu.
Maja ruft hinter ihm her: »Sag Josefin Bescheid, falls du etwas
brauchst! Ich komme nachher mal vorbei und sehe nach dir!«
Kaum erkennbar nickt Jens, um dann in den Speisesaal zu
verschwinden. Maja sieht Alex nachdenklich an.
»Er wirkt traurig. Findest du nicht auch? Er sah fast so aus, als
würde er gleich in Tränen ausbrechen.«
»Hm, vielleicht . . .«
»Habe ich etwas falsch gemacht? Habe ich euch zu sehr unter Druck
gesetzt? Was meinst du?«
»Unter Druck gesetzt? Wohl kaum.«
»Das fühlt sich irgendwie nicht gut an.«
»Ach was, die haben nur ein bisschen Magenprobleme, du kannst heute
Nachmittag mit ihnen üben. Ist doch kein Thema.«
»Du hast recht. Ich bin einfach so furchtbar empfindlich. Und Jens .
. . der sah wirklich niedergeschlagen aus.«
»Es ist alles in Ordnung, ganz bestimmt.«
Alex zieht die Sonnenbrille von der Stirn in die Augen und lehnt
sich im Liegestuhl zurück. Maja rückt ihren alten Strohhut zurecht. Ein kurzes
Schweigen entsteht, während beide auf den glänzenden großen See blicken.
»Und, Alex? Hast du gestern deine Hausaufgaben gemacht?«
Alex lacht peinlich berührt. Trotz der Sonnenbräune erblühen seine
Wangen in zartem Rot. Kichernd dreht er sich auf die Seite, schiebt die
Sonnenbrille hoch und blinzelt Maja an.
»Also, ich weiß ja nicht, was ich gestern alles zu dir gesagt habe,
und . . .«
»Es war alles vollkommen in Ordnung, was du gesagt hast, Alex.«
»Sicher?«
»Absolut sicher. Und, wie ist es gelaufen? Erzähl!«
»Ich bin jedenfalls nicht schwul.«
»Hast du es auch richtig probiert?«
»Mir ist nicht mal was Gutes einfallen, woran ich hätte denken
können, und dann habe ich eine Sache ausprobiert, aber . . . Nee, igitt. Das
hat nicht funktioniert.«
»Hast du denn was gefunden, das funktioniert?«
Alex bleibt eine Weile schweigend auf seinen Ellenbogen gestützt
sitzen und spürt die heißen Strahlen der Sonne.
»Das will ich nicht erzählen.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich nicht will. Jedenfalls nicht jetzt. Aber ich weiß nicht,
ob es eine Lösung war, es wurde alles nur noch . . . seltsamer.«
Maja sieht Alex an und grinst breit. »Klingt spannend!«
»Nein, eigentlich gar nicht. Kein bisschen spannend. Und du? Hast du
. . .«
»Yes.«
»Und?«
»Es
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