Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fürchte deinen Nächsten!

Fürchte deinen Nächsten!

Titel: Fürchte deinen Nächsten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Kleine Speicheltropfen flogen dabei durch die Luft. »Ich bin jemand, der vor nichts und niemandem Angst hat«, erklärte er.
    »Da bin ich mir nicht sicher.«
    »Oh, willst du es testen? Willst du mich angreifen?«
    »Nein, nicht angreifen, nur testen.« Ich ging einen Schritt auf ihn zu, und er wich zurück. Da ich seine Unsicherheit spürte, bekam ich Oberwasser, aber ich blieb stehen und drängte ihn nicht in die Enge. Das sollte auf eine andere Art und Weise geschehen.
    Marcella Ash war hinter mir zurückgeblieben. »Was haben Sie vor, John?«
    »Bitte, keine Fragen mehr.«
    Meine Sicherheit irritierte Delany. Er stand zwar noch vor mir, hatte sich dabei leicht nach rechts gedreht, wie jemand, der sich innerlich bereit gemacht hat, so schnell wie möglich die Flucht zu ergreifen. Hier kam er nicht raus, das wußte ich auch, und so schaute er zunächst zu, wie ich meine rechte Hand hoch zu meinem Hals führte. Meine Jacke stand offen. Wenn ich die Kette richtig faßte, konnte ich das Kreuz aus dem Halsausschnitt ziehen, und ich war gespannt, wie er darauf reagierte.
    Das Kreuz war das Zeichen des Sieges. Da hatte das Gute über das Böse triumphiert. Er war das Böse. Er war die menschlich gewordene Hölle, und er hatte sich bisher nur als Sieger gesehen, doch das sollte sich ändern. Die Kette hatte ich schon zwischen meine Finger bekommen. Sie hing gut fest, so daß ich sie in die Höhe ziehen konnte. Ich spürte sehr deutlich, wie das Kreuz an meiner Brust dem Hals entgegenrutschte. Und es dauerte nicht lange, da lag es frei, war aber für Judas nicht zu sehen, da es noch von meiner Hand verdeckt wurde.
    Ich schaute ihn aus schmalen Augen an und erlebte bereits eine Reaktion. Sein scharfer Atem drang mir entgegen, und ich glaubte, sogar die Wärme zu spüren.
    Lässig streifte ich die Kette über den Kopf. Sie fuhr noch durch mein Haar, und Delany ließ mich nicht aus den Augen. Er ging einen Schritt zur Seite. Aus seinem Mund löste sich jetzt ein leises Knurren. Wahrscheinlich spürte er bereits den Einfluß.
    Das Kreuz lag in meiner rechten Faust. Die schmale Kette hing über den Handrücken hinweg nach unten. Sie zitterte leicht und gab ein Schimmern wieder.
    Die Muskeln unter der weich wirkenden Gesichtshaut zuckten. Judas bewegte auch seinen Mund. Da zogen sich die Winkel in die Breite und wieder zusammen. Er hatte die Lippen auch leicht geöffnet. Ich sah kleine Speichelbläschen davor sprühen.
    Meine Hand schnappte nicht zu, sondern auf.
    Das Kreuz lag offen.
    Er stierte es an!
    Was Marcella Ash und ich dann erlebten, war einfach phänomenal und zugleich unbegreiflich. Auch ich wurde davon überrascht…
    ***
    Es begann mit einem Schrei!
    Es war nicht nur einfach ein Schrei. Was da aus seinem Mund drang, war einfach mehr. Ein tierischer Laut oder ein unheimliches Gebrüll. Ich wußte nicht einmal, ob diese Schreie durch die dicken Mauern geschluckt wurden. Judas schien schrecklich zu leiden, und sein weiches Gesicht hatte sich verändert. Es bestand fast nur noch aus Mund, so weit hatte er ihn aufgerissen.
    Er stand dabei an der Wand wie festgeklebt. Er brüllte ohne Luft zu holen. Ich schaute tief in seinen Rachen hinein, der schon einem unheimlichen Tunnel glich.
    Durch seinen Körper rann ein Zittern. Wie bei einem Menschen, der von permanenten Stromstößen gefoltert wurde. Er schrie weiter, obwohl er das Kreuz nicht sah, denn er hielt seine Augen geschlossen. Die Zunge bewegte sich zuckend, der Schrei riß einfach nicht ab, und Delany mußte auch nicht erst Luft holen.
    Mein Blick wechselte von ihm zum Kreuz.
    Es hatte sich nicht verändert. Kein Schimmern, kein von ihm ausgehendes Licht. Keine Strahlung, die gegen ihn geschlagen wäre, nur die leichte Erwärmung breitete sich auf meinen Fingern aus.
    Wie diese Reaktion enden würde, wußte ich nicht. Es war schon jetzt ungewöhnlich, daß es ein Mensch so lange aushielt, aber er sackte plötzlich in die Knie. Wäre die Wand nicht hinter seinem Rücken gewesen, wäre alles viel schneller gegangen, so aber brach er im Zeitlupentempo zusammen und blieb vor mir hocken.
    Der Schrei war verklungen. Er holte Luft, verschluckte sich dabei, hustete einige Male und fing sich wieder. Danach drang ein hektisches Keuchen aus seinem Mund. Die Augen glichen kleinen, runden Rädern. Er glotzte mich an, doch scharf erkennen konnte er mich nicht, weil sich ein feuchter Schleier über seine Pupillen gelegt hatte.
    Seine Arme hingen rechts und links des Körpers

Weitere Kostenlose Bücher