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Fürchte dich nicht!

Fürchte dich nicht!

Titel: Fürchte dich nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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akzeptiert keine Autoritäten, mit Ausnahme der Wissenschaft.«
    »Verstehen Sie jetzt?«, sagte Lange. »Falls Frau de Monti nicht kooperiert, wäre es für uns ein Leichtes, ihre psychische Verfassung ans Licht zu zerren und ihre Glaubwürdigkeit infrage zu stellen. Das möchten wir im Sinne aller Beteiligten vermeiden. Vielleicht gelingt es Ihnen ja, de Monti zu überzeugen.«

13
Norderney, Polizeistation

    »Alles in Ordnung?«
    Nichts war in Ordnung. Er hatte versagt. Jämmerlich versagt. Er hatte die unpassenden Worte gewählt, nicht den richtigen Ton getroffen, war zu forsch oder zu zaghaft vorgegangen. Auf jeden Fall hatte er alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Denn der Junge war gesprungen. Und er hatte es nicht verhindert.
    Martin Geis hob den Kopf und schaute zu Britta Hartweg, die in der Tür stand.
    »Mir geht’s gut.«
    »Es ist nicht deine Schuld.«
    »Ich weiß.«
    »Niemand hätte ihn davon abhalten können.«
    »Vielleicht.«
    Britta schloss die Tür von innen und lehnte ihren breiten Rücken dagegen.
    Mit einem Teil seines Bewusstseins, dem professionellen, geschulten Polizistenhirn, verstand Geis, was in seiner Stellvertreterin vorging. Sie machte sich Sorgen um seine Psyche, hatte Angst, dass er zusammenbrechen würde. Und hielt es für ihre Aufgabe, sich um ihn zu kümmern. An ihrer Stelle hätte er genauso gehandelt.
    Doch der andere Teil seines Bewusstseins, der menschliche Kern unter den antrainierten, vernunftbestimmten Verhaltensweisen, rebellierte gegen die Bevormundung. Er wollte allein sein. Er wollte sich, verdammt noch mal, schuldig fühlen. Es gab ein Recht, der letzte Arsch der Welt zu sein.
    »Ich habe mich gedrückt«, sagte Britta. »Ich habe es dir überlassen.«
    »Ach was.« Seine Stimme klang hölzern und müde.
    »Doch.« Britta ließ sich nicht beirren. »Ich kannte ihn. Ich …«
    »Hör auf!«
    Britta zuckte zusammen. Er hatte geschrien.
    »Es bringt nichts«, fügte er leiser hinzu.
    »Warum nimmst du dir nicht frei? Wir kommen auch ohne dich zurecht.«
    »Weil …« Er suchte auf seinem Schreibtisch nach einer Antwort. »Weil mir zu Hause die Decke auf den Kopf fallen würde. Lass mich einfach eine Weile hier sitzen. Ich komme schon wieder in die Spur.«
    »Es gibt einen psychologischen Beratungsdienst. Vielleicht wäre es …«
    »Nein.« Geis stand auf. »Ich weiß, du meinst es gut, Britta. Aber im Moment möchte ich mit niemandem reden.«
    »Okay.« Sie wandte sich um. »Übrigens, deine Freundin …«

    Er starrte sie verständnislos an. »Wer?«
    »Diese Wissenschaftlerin aus Berlin.«
    »Viola de Monti?«
    »Genau die. Sie war bei Wiebke Rasmussen, der Mutter von Lars.«
    »Und?«
    »Hat sie ausgefragt über Lars. Ob er in letzter Zeit von einer Zecke gebissen worden ist.«
    »Und?«
    »Findest du das nicht reichlich schräg? Wiebke hat gerade ihren Sohn verloren. Was spielt es da für eine Rolle, ob er einen Zeckenbiss hatte. Wiebke war jedenfalls völlig fertig. De Monti behauptet, die Leiche von Lars müsse nach Oldenburg, zur Rechtsmedizin. Angeblich habe sie schon mit dem Arzt darüber gesprochen.«
    »Und – wurde Lars von einer Zecke gestochen?«, fragte Geis.
    Britta schüttelte fassungslos den Kopf. »Das darf nicht wahr sein. Die Frau hat dich verrückt gemacht mit dieser Zeckengeschichte.«
    »Quatsch«, sagte Geis. »Trotzdem hat de Monti recht. Die Leiche muss obduziert werden.«
    »Warum? Wir alle haben gesehen, wie er gesprungen ist. An der Todesursache gibt es nichts zu deuteln.«
    Mir wird nichts passieren, Mann. Ich habe gespeichert.

    »Lars dachte, er sei in einem Computerspiel. Ich will wissen, ob er unter Drogen stand. Oder unter irgendetwas anderem.«
    Britta öffnete die Tür. »Wie du meinst.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »De Monti? An der Napoleonschanze. Thedinga hat sie dort durchs Gebüsch streichen sehen.«

     
    Die Napoleonschanze, ein Überbleibsel der französischen Besetzung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, lag inmitten des Kurparks, südlich der Innenstadt.
    Viola de Monti zog langsam ein flauschiges, weißes Flanelltuch, das an einem Stiel befestigt war, über einen Busch.
    »Was machen Sie da?«, fragte Martin Geis.
    »Ich fange Zecken.« Prüfend betrachtete sie das Tuch und jetzt sah auch Geis die kleinen schwarzen Punkte.
    »Hier wimmelt es nur so von Zecken.« De Monti legte das Tuch auf den Boden und entnahm ihrer Umhängetasche ein Glasröhrchen mit Schraubverschluss. »Der verstorbene Junge war manchmal

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