Fürchte dich nicht!
geht?«
»Reg dich nicht auf, Martin! Ich halte dich auf dem Laufenden. Wo bist du gerade?«
»B70 zwischen Emden und Georgsheil. Auf der Höhe des Großen Meeres.«
»Gut. Lass die Verbindung stehen! Ich melde mich wieder.«
Geis warf das Handy auf den Beifahrersitz. Fischer bog von der Bundesstraße auf eine schmalere Nebenstraße ab. Fluchend ließ sich Geis zurückfallen, bis das Auto vor ihm nur noch einen Punkt in der flachen Landschaft bildete.
»Garrelt?«
»Ja?«
»Wir sind runter von der B70 und fahren Richtung …« Er wartete auf das Hinweisschild am Straßenrand. »… Thedasfehn.«
»Alles klar«, kam es quäkend aus dem Handy.
Nichts war klar. Wo blieben die Kollegen, wenn man sie mal brauchte?
Kilometer folgte auf Kilometer, Pferdeweide auf Pferdeweide. Plakate am Straßenrand riefen zum Milchstopp auf oder boten Fremdenzimmer an. Regenwolken zogen auf, am Horizont war der Himmel giftgrün, fast schwarz. Bald würde es wie aus Kübeln gießen. Und noch immer keine Unterstützung.
»Garrelt?«
Keine Antwort.
Was zum Teufel war da los?
Das Ortseingangsschild von Thedasfehn. Geis kannte den Ort nur von der Straßenkarte. Eines der vielen verschlafenen ostfriesischen Nester, in der Regel mit einer Kirche, zwei Kneipen und drei Läden. Früher hatten die Menschen von der Landwirtschaft und vom Moor gelebt, heute suchten sie Arbeit in Aurich, Emden oder Leer.
Thedasfehn besaß sogar zwei Kirchen. Eine stand in der Mitte des Dorfes und eine etwas außerhalb, auf einem kleinen Grashügel. Fischer machte keine Anstalten, einen Parkplatz zu suchen, Thedasfehn schien nicht das Ende der Reise zu sein.
Geis konnte die Warfenkirche jetzt besser sehen, ein altes, verwittertes Gebäude aus der Zeit, als die Gegend noch manchmal vom Meer überflutet wurde und die höher gelegenen Kirchen als Zufluchtsorte dienten. Drum herum standen etliche Autos. Auch Fischer setzte den Blinker. Tatsächlich, sie stoppte den Wagen vor der halb verfallenen Kirche.
Langsam fuhr Geis am Zufahrtsweg vorbei und hielt unter ein paar Bäumen am Straßenrand. Eine Kirche als Versammlungsort – man musste schon so größenwahnsinnig sein wie Deus, um auf eine solche Idee zu kommen.
»Garrelt?«
Nur ein Knacken.
Jetzt reichte es ihm. Geis beendete die Verbindung. Er würde Bischoff zur Rede stellen. Sein Daumen schwebte bereits über der Taste, als er zögerte. War es möglich, dass Bischoff erneut Mist gebaut hatte? Konnte man sich auf den Mann überhaupt noch verlassen? Geis wählte Schönings Handynummer. Ausgeschaltet. Das durfte alles nicht wahr sein!
Ein Klopfen an der Seitenscheibe ließ Geis zusammenzucken. Als er Thedingas Gesicht erkannte, beruhigte er sich wieder. Wenigstens auf den Norderneyer Kollegen war Verlass.
Geis stieg aus und blickte sich um. »Bist du allein? Wir brauchen ein SEK.«
»Ist angefordert.«
»Herrgott, Garrelt, hier geht es um jede Minute. Fischer und de Monti sind da drüben in der Kirche.«
»Ich weiß.«
»Und Eichkorn, der die Zeckengeschichte angezettelt hat, vermutlich auch. Wir haben die Chance, die ganze Bande hochzunehmen. Die Aktion muss so schnell wie möglich durchgeführt werden, bevor sie etwas merken. Falls sie bewaffnet sind und sich in der Kirche verschanzen, kann es zu einer Katastrophe kommen. Du kennst doch die Bilder aus Amerika – von diesen verrückten Sekten.«
»Wir gehen rein«, sagte Thedinga.
»Was?«
»Du und ich.«
»Das ist albern.« Geis schüttelte den Kopf. »Wir wissen nicht, was …«
Thedinga zeigte seinem früheren Chef die Dienstwaffe, die er plötzlich in der rechten Hand hielt. »Gib mir deine Pistole, Martin! Langsam, mit zwei Fingern!«
»Du …«
»Richtig, Martin. Ich gehöre dazu.«
Thedinga machte nicht den Eindruck, von Skrupeln geplagt zu werden. Es gab keine Alternative, Geis musste gehorchen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sich der Norderneyer Polizist verändert hatte. Der ewige Missmut war aus seinem Gesicht verschwunden, er wirkte entspannt, fast fröhlich.
»Los!« Thedinga winkte mit der Pistole. »Gehen wir!«
Wie hatte er nur so blind sein können!, beschimpfte sich Geis selbst. Wieso hatte er keinen Verdacht geschöpft? Schon nach der Panne mit Professor Walter wäre der Gedanke naheliegend gewesen, dass Bischoff die Ermittlungen hintertrieb. Bischoff musste ebenfalls mit drinstecken. Anstelle der Auricher Kripo hatte sich Goroneks Vize mit Deus alias Eichkorn in Verbindung gesetzt. Und der war so clever gewesen,
Weitere Kostenlose Bücher