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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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diesen Schrei mit gesenktem Kopf aus. Doch dann setzte sie den Löffel unter dem Augenlid des Mädchens an. Dann drückte sie leicht dagegen. Damit ihre bebende Hand nicht abrutschte, hielt sie den Löffel mit beiden Händen fest. Ihr Hals war trocken, und ihr Atem ging stoßweise.
    »Genug jetzt.« Sie versuchte ihrer Stimme einen harten Klang zu geben, doch das misslang. Ihre Frage klang eher, wie die Frage einer Mutter klingt: Besorgt. »Wo ist Gera?«
    Magdalena verstummte. Hannah erhöhte den Druck. Die Kante des Löffels schlüpfte bereits unter den Augapfel. Schmerz verzerrte das Gesicht des Mädchens, und sie begann zu keuchen.
    »Ich weiß es nicht!«, stieß sie hervor.
    Hannah ließ nicht nach. Sie konnte nicht hinsehen. Ihr bereitete der Löffel beinahe größere Schmerzen als dem Mädchen. Sie schwitzte, als stünde sie im Hochsommer auf dem Hauptmarkt.
    »Woher kennst du sie dann?«
    »Ich habe mit Gera gesprochen. Sie hat mich gebeten, dich zu benachrichtigen.«
    »Wo hast du sie gesehen?« Die Fragen fielen wie im Staccato – und mit jeder Frage drückte Hannah tiefer. Ein kleines Blutrinnsal lief bereits in die Tränenhöhle und färbte das Augerot. Magdalena konnte nicht mehr zwinkern, und ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz.
    »Ich weiß es nicht, weil wir den Ort nicht zu Gesicht bekommen haben.«
    Hannah befürchtete, dass sie selbst es nicht mehr aushalten könnte. Deshalb fragte sie hastig weiter.
    »Liegt dieser Ort innerhalb von Augsburg oder außerhalb?«
    »Außerhalb«, stöhnte Magdalena. »Hör auf. Bitte!«
    »Warum wird sie dort gefangen gehalten?«
    »Sie soll dienen.«
    »Wem soll sie dienen?«
    »Männern.«
    »Welchen Männern?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wie hast du von ihr erfahren?«
    »Sie hat mich angesprochen, weil ich vor ihr losgeschickt worden bin.«
    »Zum Dienen?«
    »Ja.«
    »Wem hast du gedient?«
    »Celante. Der Luderin.«
    »Wusste die Luderin, dass du zu ihr geschickt worden bist?«
    »Nein.«
    Hannah zog den Löffel zurück, und Magdalena schrie auf.
    »Komm«, sagte die Schwarze Liss und führte Magdalena zu einem Stuhl, damit sie sich setzen konnte.
    Hannah spürte, wie sie keuchte, wie aufgewühlt sie war, wie sie zitterte und nach Luft rang. Sie konnte selbst kaum begreifen, wie grausam sie vorgegangen war. Sie sah auf ihre Hände, die eben noch den Löffel gehalten und dem Mädchen Schmerzen zugefügt hatten – und kannte sich selbst nicht mehr. Ihr war übel. Was stellte diese Welt nur mit ihren Menschen an?
    Sie biss die Zähne aufeinander. Es war nicht die Welt. Es waren Menschen wie Aigen, die sie zu einem solchen Verhalten trieben. Sie schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können, und wandte sich an die kräftige Bettlerin.
    »Josefa, egal, wer diese Leute sind. Wir müssen ihnen das Handwerk legen. Sie schicken Hunde, sie töten Kinder, sie entführen Mädchen, sie ... ich kann gar nicht alles aufzählen. Das sind Bestien. Wir sind die Einzigen, die diese Bestien aufhalten können, weil wir von ihnen wissen.«
    Eine der Frauen trat auf sie zu.
    »Röttel, was fangen wir mit Magdalena an?«
    »Legt sie dort unters Fenster, so wie sie ist. Es schadet nicht, wenn sie noch ein bisschen leidet.« Dann wandte Hannah sich an die kräftige Josefa, die sich mittlerweile neben sie gesetzt hatte. »Das Schlimmste ist, dass auch unter den Frauen solche Bestien sind. Wer steht überhaupt auf unserer Seite?« Hannah sah in die Runde. »Du, Celante? Du, Nelda? Wie steht es mit euch anderen? Josefa?«
    Hannah schlug die Hände vors Gesicht. »Warum können wir niemandem trauen? Was haben sie nur mit Gera gemacht?«
    Sie versank in düsteres Brüten. Wer war nur an all den Gräueltaten beteiligt, und wo wurden die Kinder gefangen gehalten, die in die Stadt geschmuggelt wurden? Sie kamen immer nur in winzigen Schritten voran.
    Vor dem Turm wurde es Nacht. Die Welt löschte den Gesichtssinn und schärfte das Gehör. Jetzt begann die Stunde der Schattenwesen, jetzt war die Stunde des Weißgesichtigen gekommen. Noch während Hannah diesen Überlegungen nachhing, hörte sie ein merkwürdiges Zischen, das in regelmäßigen Abständen an ihr Ohr drang.
    »Was ist das?«, fragte sie Josefa, die bislang nur neben ihr gesessen und ihre Hand gehalten hatte.
    »Was meinst du?« Josefa horchte angestrengt.
    Plötzlich ertönte vom Perlach her der Ruf des Türmers, und die Brandglocke schlug an.
    »Es brennt wieder«, sagte Hannah – und sie konnte es sogar

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