Fuerstin der Bettler
ergaben einen Sinn.
»Nun, Bruder Adilbert, habt Ihr meinen Auftrag ausgeführt?«
Der Mönch ließ die Feder, die er gerade eingetunkt hatte, in das Tintenfass zurückfallen, so heftig erschrak er.
»Herrgott!«, stieß Bruder Adilbert hervor. Die spritzende Tinte hatte einen feinen Regen schwarzer Punkte über die Seite verteilt. Es würde ihn unendliche Mühe kosten, all diese Spritzer mit dem Federmesser abzukratzen und mit Kalk wieder unsichtbar zu machen. Bruder Adilbert drehte sich um und blickte in das dunkle Gesicht unter der Kapuze.
»Die Urkunde!«, sagte der Fremde und streckte die Hand aus.
Am Ringfinger der rechten Hand entdeckte der Mönch einen Siegelring, der ihm jedoch völlig unbekannt war. Das wiederum verwunderte ihn wenig, schließlich hatte er die Mauern dieses Klosters beinahe fünfzehn Jahre lang nicht verlassen Er kannte von der Welt dort draußen nur ein Stück Himmel, in den er sich in warmen Sommern hineinträumte, wenn er unter einem Apfelbaum im Klostergarten stand und den Blick hob.
Bruder Adilbert griff in die Schublade und holte das gefaltete Pergament heraus. Er hatte es mühsam abgeschabt, hatte es neu eingekalkt und wieder beschrieben.
Der Unbekannte wollte danach greifen, doch im letzten Moment zog der Mönch die Hand mit dem Pergament zurück.
»Ihr sagtet etwas von einer ... Belohnung für meine Mühe.«
»Sagte ich das? Nun, dann wird es wohl stimmen.«
»Und wenn ich Euren Versicherungen misstraue?«, fragte der Mönch etwas zu hastig, was sein tiefes Unbehagen nur allzu deutlich machte.
»Würdet Ihr mich besser kennen, würdet Ihr wissen, dass ich meine Versprechen halte. Immer halte. Aufs Wort.« Das Lachen des Fremden wirkte so kalt, dass Bruder Adilbert fröstelte.
»So seid Ihr ein Scholastiker – und damit gefährlich. In Worte kann man die Welt legen – oder eben nichts.«
»Ich sehe, Bruder Adilbert, ich habe in Euch den richtigen Mann gefunden. Sorgt dafür, dass Ihr in einer Woche hier in diesem Raum allein seid. Dann will ich Euch eine süße Versuchung bringen. Bis dahin ...«
Ungeduldig wedelte der Fremde mit der beringten Hand und forderte das Dokument.
»Ich nehme Euch beim Wort.«
»Was Ihr tun sollt«, sagte der Unbekannte, dessen Kapuze wiederum keinerlei Blick auf das Gesicht gewährte. Bruder Adilbert hatte das unbehagliche Gefühl, als wäre dahinter einfach nichts.
Bruder Adilbert übergab ihm das Pergament, und der Unbekannte schob es unter seinen Kapuzenmantel.
»Wollt Ihr es nicht wenigstens prüfen?«, fragte der Mönch verblüfft.
»Eure Arbeit ist berühmt, Bruder Adilbert. Außerdem ...«, hier zögerte der Fremde einen Augenblick lang, »... würdet Ihr es bereuen, wolltet Ihr versuchen, mich zu betrügen.«
Damit ließ er Bruder Adilbert stehen und lief mit wehendem Mantel zur Tür.
Diesmal hatte der Mönch jedoch seine Fassung rasch wiedergewonnen. Kaum war der Fremde aus der Tür, rannte er ihm nach. Bruder Adilbert zog die Tür auf, spähte nach draußen – doch er sah niemanden mehr.
Die Tatsache, dass der Unbekannte nur höchstens zehn Schritte Vorsprung hatte und dennoch wieder wie vom Erdboden verschluckt war, nahm ihm zuerst den Atem. Er fühlte, wie eine eisige Hand ihn im Nacken packte und ihm kalt über den Rücken fuhr. War es doch der Teufel gewesen, der ihn hier versucht hatte?
Vorsichtshalber hatte er als Mönch bei der Erstellung des Dokuments sorgfältig darauf geachtet, dass kein Blut auf das Pergament kam. Weder beim Spitzen der Federkiele noch beimRadieren hatte er einen Tropfen davon vergossen. Und er hatte auch kein Rinderblut verwendet für die Tintenfarbe. Denn der Teufel brauchte Blut, wollte er ihn um das Seelenheil bringen.
Er murmelte rasch ein Vaterunser, dann versuchte er wieder zu denken, wie er es gewohnt war: mit klarem Verstand.
Er trat auf den Flur hinaus und blickte sich aufmerksam um – dann lächelte er. Seine List war aufgegangen. Tagtäglich war er vor seiner Arbeit in die Küche gegangen und hatte etwas Ruß aus dem Aschebehälter des Ofens geholt. Die Rußflocken hatte er sorgfältig auf dem Boden um sein Stehpult herum verstreut und nur einen kleinen Bereich freigelassen, damit er nicht selbst in den dunklen Staub trat. Der Fremde war in den fettigen Ruß getreten und hatte auf dem Boden des Gangs leichte Fußabdrücke hinterlassen.
Bruder Adilbert musste nicht lange suchen. Wer wusste, wonach er schauen musste, dem fielen die Abdrücke ins Auge. Der Mönch folgte
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