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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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unmöglich. Wir haben es nur noch nicht zu denken gewagt. Die Männer denken und handeln auch nicht anders.«

3
    B ruder Adilbert rekelte sich auf der mit Rosshaar gepolsterten Kline, einer den römischen Tischsitten nachempfundenen Liege mit erhöhtem Kopfteil zum Essen und Schlafen. Eine wohlige Zufriedenheit durchströmte ihn, die sich noch dadurch steigerte, dass er von seinem Platz aus Celante zusehen konnte, wie sie sich wusch und bückte.
    Seit vier Wochen besuchte er zweimal in der Woche das Haus in der Unterstadt und dessen Bewohnerinnen. Er hatte mit Celante einen eigenen Geschmack entwickelt, und in seinen Augen war sie ihm so etwas wie eine Geliebte geworden. Seine Sulamith. Celante war eine füllige Frau, die sogar seinem Bedürfnis nach einem Gespräch nachkam, das sich nicht nur um die Farbe der Augenlider drehte. Sie eröffnete ihm eine Welt, wie er, der hinter Klostermauern lebte, sie sich niemals erträumt hätte. Immer wieder brachte sie ihn zum Staunen.
    Beide waren sie nackt, wie der Herr sie geschaffen hatte. Celante sorgte nicht nur für sein männliches, sondern auch für sein leibliches Wohl. Wenn er kam, zogen sie sich in ein Zimmer im ersten Obergeschoss zurück, das nach hinten hinausging, sodass zufällige Blicke von gegenüber in ihr Nest unmöglich waren.
    »Was gibt es Neues in der Stadt, Celante?«, fragte er und biss herzhaft in einen Apfel, der mindestens so süß schmeckte wie ihre Lippen.
    »Wir Frauen haben Angst.« Sie brachte ihm einen Becher Wein, stellte ihn an den Rand der Kline und setzte sich zu ihm.
    Der Bissen blieb dem Mönch im Halse stecken, und er musste husten. »Ihr Frauen? Angst? Wovor?«
    »Nicht vor einem Mönch wie dir«, sagte sie neckisch und zwickte ihn in die Brust. Dann wurde sie plötzlich ernst. Sie setzte sich aufrechter hin und drehte ihm den Rücken zu. »Obwohl niemand sagen kann, ob nicht ein Kerl wie du daran beteiligt ist. Vielleicht bist du es ja selbst.«
    Jetzt stützte sich Bruder Adilbert auf den Ellbogen und zog Celante zu sich her. Sie sträubte sich etwas, doch schließlich gab sie seinem Drängen nach und lehnte sich an ihn. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, wäre Bruder Adilbert der Meinung gewesen, sie genieße seine Berührungen, so wie er die ihren genoss. Doch er bezahlte für diese Gunst – und sie erfüllte ihm seine Wünsche. Auch den, ihm Interesse an seiner Person vorzuheucheln. Neugierig bohrte er nach. »Erzähl mir von diesen Ängsten. Was beunruhigt dich?«
    »Ich ... ich will nicht sterben.«
    Er lachte, verblüfft über diese Antwort. »Aber – du musst nicht sterben.«
    »Ich bin eine Frau, eine junge Frau.«
    »Das bist bist du fürwahr«, murmelte Adilbert.
    »Sie töten Kinder! Ich habe Angst, sie werden auch mich töten.«
    Jetzt hatte sie die ganze Aufmerksamkeit des Paters. Er straffte sich, und wie ein Blitz durchfuhr ihn ein Bild: das eines schmächtigen blonden Mädchens.
    »Wer sind sie ?«
    Celante zuckte mit den Schultern. »Niemand weiß es. Aber gerade erst hat man wieder zwei Kinder gefunden. Beide tot.«
    Bruder Adilbert schluckte schwer. »Kinder sterben leicht. Gott der Herr hat sie mit einer schwachen Gesundheit ausgestattet. Vielleicht will er ihre Unschuld bewahren, wenn er sie so früh zu sich holt.«
    Celante griff nach seinem Kinn und zog so seinen Blick auf sich.
    »Ach ja. Ich dachte immer, unser Gott sei ein Gott des Verzeihens. Wenn ich mein Leben bereue, ehrlich bereue, müsste er mir dann nicht den Eintritt in das ewige Leben gewähren, egal, wie mein Leben bis dahin verlaufen ist und was ich für Schandtaten begangen habe?«
    Ein Lächeln huschte über Bruder Adilberts Gesicht.
    »Du hättest Theologie studieren sollen, Celante.«
    Ihr Lächeln war verständnisvoll und doch von einer gewissen Schwermut getränkt. »Ich studiere die Menschen. Damit habe ich ausreichend zu tun.«
    »Du sagst, es seien zwei Kinder gewesen? Zwei?«, bohrte der Mönch weiter.
    »Es sind viel mehr: Man munkelt von fünf, sechs, sieben Kindern. Ich weiß es nicht. Im letzten Jahr sind es mehr geworden. Die letzten beiden Kinder haben sie erst vor Kurzem gefunden. Wir sind vorbeigekommen, als der Totengräber sie ... sie aus dem Graben geholt hat.« Ihre Stimme stockte, und sie musste schlucken.
    »Wirklich erst vor Kurzem?«, fragte Bruder Adilbert.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ein Junge und ein Mädchen. Beide kaum älter als zwölf Jahre. Das Mädchen, blond, schmächtig, der Junge ebenfalls

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