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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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getraute.
    Hannah legte ihr die Hand auf die Schulter. »Vertrau mir. Sie tun dir nichts.«
    Sie wäre beruhigter gewesen, wenn sie selbst nur halb so überzeugt gewesen wäre, wie sie eben geklungen hatte. Wenn sie ehrlich zu sich war, wusste sie kaum etwas.
    »Ich lasse die Wunde ein wenig frei. Bis der Tag anbricht, dannkann ich sie mir genauer ansehen.« Sie spürte dem Lächeln nach, das sie Nelda schenkte. Es sollte zuversichtlich wirken.
    Hannah richtete sich auf und fragte in die Runde: »Was habt ihr an Kräutern und Salben hier? Es gibt sicherlich noch eine ganze Reihe von Verletzungen zu behandeln.«
    Die beiden folgenden Stunden verbrachte sie damit, aufgeschürfte und eitrige Wunden zu säubern, sie mit einigen Kräutern, die im Turm vorhanden waren, zu bedecken oder aus den getrockneten Blättern und Stängeln einen Sud zu bereiten, mit dem man sie auswaschen konnte.
    Mit dem Anbruch des Tages gönnte sie sich eine Pause. Sie setzte sich zu Nelda, die eingeschlafen war vor Erschöpfung, und ließ den Blick über deren ausgemergelten und geschundenen Körper gleiten. Sie war noch mehr Mädchen als Frau, das war unter dieser angebrochenen Schale zu sehen. In der Gosse alterten die Menschen schneller. Ihre Erfahrungen wurden ihnen regelrecht in die Haut gegerbt und blieben als Narben sichtbar.
    Hannah saß da, starrte auf die blau-gelben Ergüsse an Neldas Oberschenkeln und musste unwillkürlich an den Roten und an den Dürren Karl denken. Sie empfand kein Bedauern. Sie bereute nicht, was sie getan hatte. Sie konnte sich nicht dafür anklagen, weil sie einen Menschen getötet hatte. Sie hatte in Notwehr gehandelt – und gleichzeitig wusste sie, dass ihr Vorgehen keine Notwehr gewesen war. Sie hatte abgewartet, hatte ihm die Möglichkeit gegeben, es zu überdenken, sie in Ruhe zu lassen. Er hatte sich dagegen entschieden, und sie hatte ihm eine Lektion erteilt.
    Es konnte nicht verborgen bleiben, dass der Dürre Karl verschwunden war. Und selbst wenn seine Leiche nicht gefunden wurde, konnte sich jedermann denken, was mit ihm geschehen war. Irgendwann würde ein neuer »Dürrer Karl« hier aufkreuzen und sich festsetzen. Erneut würden die Frauen geschlagenwerden, würde man ihnen Gewalt antun und sie dazu zwingen, irgendwelchen Stadtoberen zu Willen zu sein.
    Währenddessen war die Schwarze Liss leise zu ihr getreten und betrachtete das Mädchen auf der Pritsche.
    »Wird sie überleben?«, wisperte die Liss ihr ins Ohr.
    Hannah zuckte nur mit den Schultern. »Ich hoffe es.«
    Dann begann Hannah in der zunehmenden Helligkeit, die Wunde zu säubern. Nelda wachte mit einem panischen Blick in den Augen auf, weil sich ihr Schmerzen und Erinnerung offenbar in einer unheilvollen Mischung zeigten. Erst als Hannah auf sie einsprach, beruhigte sie sich.
    Die Wunde hatte bereits den Knochen erreicht, aber dort noch keine Entzündung hervorgerufen. Hannah arbeitete ruhig und schnell. Vier Maden beließ sie auf der Wunde. Schließlich wickelte sie einen mehr oder weniger sauberen Leinenfetzen um die Wunde.
    »Du musst jetzt ganz ruhig liegen bleiben. Morgen machen wir den Verband ab und holen die Maden heraus. Dann sollte die Entzündung sich gemildert haben.«
    Sie redete zuversichtlicher, als sie tatsächlich war.
    Schließlich lehnte sie sich mit dem Rücken gegen die kühle Mauer und schloss die Augen.
    »Liss? Liss, bist du da?«, rief sie leise in die heraufziehende Helligkeit.
    »Röttel?«
    »Wie sicher bist du dir der Frauen, die hier schlafen?«, fragte Hannah leise.
    »Wie meinst du das, Röttel?«
    »Wir können uns verkriechen und warten, bis der Rote vor dem Tor steht und reinwill. Und er wird hier reinkommen. Das weiß ich.«
    »Oh ja, das wird er«, sagte die Liss bestimmt.
    Die Schwarze Liss saß irgendwo neben ihr in einem noch nicht von der spärlichen Sonne beschienenen Teil des Schlafsaals, sodass sie nur ihre Stimme hörte, sie aber nicht sehen konnte.
    »Ich will das nicht. Schick die Frauen los. Sie müssen uns sagen, wo er sich aufhält – und sie müssen ihn piesacken. Sie müssen ihn zur Weißglut treiben.«
    »Wie soll das gehen, Röttel?«
    Langsam drehte sich Hannah zur Schwarzen Liss um. Und dann erklärte sie ihr etwas, das langsam in ihrem Kopf gereift war, seit sie das tote Mädchen im Graben gesehen hatte. Sie setzte der Schwarzen Liss ihre Gedanken auseinander, die diese nur mit einem Kopfschütteln bescheinigte.
    »Das ist unmöglich«, sagte sie schließlich.
    »Es ist nicht

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