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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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einer der Stöcke ihn quer über der Nasenwurzel getroffen hatte. Mit einem gezielten Hieb traf sie sein linkes Auge. Der Rote wollte schreien, wollte um Hilfe rufen, doch einer der ersten Schläge hatte offenbar den Kehlkopf getroffen, sodass er kein Wort hervorbrachte.
    Hannah beugte sich zu ihm hinab, als wollte sie ihm aufhelfen, doch dann drückte sie ihn auf den Boden und flüsterte dem Stöhnenden ins Ohr: »Das war für Nelda. Solltest du mir nocheinmal begegnen, schlage ich dir auch das zweite Auge aus. Verschwinde aus der Stadt, Roter, solange du noch kannst.«
    Dann stieß sie seine Krücken unter den nächsten Karren und damit aus der Reichweite des Kerls.
    Hannah erhob sich. Alles war so schnell gegangen, dass niemand recht bemerkt hatte, was dem Roten widerfahren war. Rasch und unauffällig mischten sich die Frauen wieder unter die Besucher des Brotmarkts.
    Hannah nahm nicht den direkten Weg zurück zum Fledermausturm, sondern machte mit der Schwarzen Liss zusammen einen Bogen um den Brotmarkt herum.
    Sie empfand keinerlei Reue, kein Mitleid. »Bin ich ein schlechter Mensch, Liss?«, fragte sie und hoffte, ihre Freundin würde sie freisprechen von den Schuldgefühlen, die sie quälten.
    »Wir entschuldigen uns für alles«, sagte die Liss. »Wir glauben immer, wir sind für die Fehler dieser Welt verantwortlich. Wir müssen uns davon freimachen und dürfen nicht immer nur zurückstecken. Mach dir keine Sorgen.«
    Sie gingen an der Schranne vorüber, und Hannah hielt Ausschau nach einem der Kräuterweiber, die regelmäßig die Märkte besuchten. Am Schmalzmarkt wurde sie fündig.
    Sie kaufte getrocknete Kräuter, Beeren und Pulver. Daneben erstand sie einen schweren Topf mit Schweineschmalz. Sie bezahlte mit dem Geld, das sie ihrem Hausschatz entnommen hatte. Und obwohl die Händlerinnen sie argwöhnisch ansahen und ihre Bettlermarke verstohlen musterten, bekam sie, was sie verlangte. Geld stinkt nicht, dachte sie. Wer immer das gesagt hatte, er hatte wieder einmal recht behalten.
    Beladen mit ihren Schätzen machten sich die beiden Frauen auf den Weg zum Fledermausturm. Die Stimmung, die sie dort empfing, glich der eines Schwarms Sperlinge in der Hecke. Sie zwitscherten, schwatzten und flöteten einander ihre Heldentatenzu, sodass sie Hannah und Liss zunächst gar nicht bemerkten. Erst als Hannah mitten unter ihnen stand und ihren Stab auf die Dielen rammte, sodass der hölzerne Boden zitterte, verstummten sie. Schlagartig war es still, so als wäre der Sperlingsschwarm ausgeflogen und die Hecke verwaist.
    »Er wird kommen«, sagte Hannah mit einem leichten Beben in der Stimme. »Er wird kommen und sich rächen wollen. Und er wird seine Männer mitbringen. Wir sind aber nur Frauen. Keine von uns kann mit einem Dolch oder mit einem Schwert umgehen. Sie aber werden Messer und Schwerter haben, wenn sie diese auch nicht öffentlich tragen dürfen.«
    Hannah schaute die umstehenden Frauen an, die ihren Worten gebannt folgten. »Wir sollten das tun, was wir können, bevor der Rote mit seinen Männern hier ist: Nachdenken und Arzneien herstellen. Soweit ich es von meinem Mann gelernt habe, können wir mit Schmalz und Kräutern vieles lindern. Das ist unsere Stärke. Wenn die Frauen hören, dass sie hier einen Ort finden, an dem ihnen geholfen wird, werden sie zu uns kommen«, – und vielleicht zu uns halten. Den letzten Teil dachte sie nur noch. Ihn laut auszusprechen getraute sie sich nicht. »Je mehr Frauen wir sind, desto leichter können wir uns verteidigen«, ergänzte sie halblaut.
    Den ganzen restlichen Tag und die beiden folgenden passierte nichts. Zwar klopften Freier, die offenbar sonst regelmäßig kamen, an das Tor, doch die Frauen öffneten nicht, und die Männer zogen unverrichteter Dinge wieder ab. Darunter waren Priester und Prälaten ebenso wie biedere Handwerker und der eine oder andere Kaufmann. Inzwischen sprach sich unter den Stadtarmen herum, dass Hannah Wunden zu behandeln verstand, und immer mehr Bettlerinnen begehrten Einlass, um sich Abschürfungen, eitrige Stellen oder einfach nur den Grind behandeln zu lassen. Die Kranken erhielten zusätzlich eine kleine Mahlzeitund durften, wenn sie keine Unterkunft hatten, auch eine Nacht hier in Sicherheit schlafen.
    Am dritten Tag stand der Rote vor dem Tor. Er klopfte nicht, er begehrte nicht Einlass, er stand nur da und starrte auf die Holzbohlen des Tors. Stumm.
    Sein Kopf war verbunden. Das ausgeschlagene Auge von einem schmutzigen

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