Full House: Liebeserklärung an die Chaosfamilie (German Edition)
mit ihr los ist. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, liegt sie schluchzend auf dem Sofa und sieht sich zum tausendsten Mal »Vom Winde verweht« an. Die Vorhänge sind zugezogen, und zusätzlich zur Musik des Films hat sie The Cure aufgelegt. Ich mache mir große Sorgen. Die Musik dieser Gruppe löst sogar bei mir Selbstmordgedanken aus.
Ich backe für sie einen Kuchen, sie sieht ihn nicht einmal an. Ich koche ihr Lieblingsgericht (Kartoffelsuppe), sie lehnt es ab. Ratlos suche ich nach Wegen, um sie wieder aufzumuntern – ohne Erfolg.
Dann, heute Morgen, kam von ihr der entscheidende Satz: »Mir ist kotzübel!« Und damit schob sie den Teller beiseite. Rums!
Jetzt wurde mir alles klar. »Du bist doch nicht etwa schwanger?« Eigentlich hatten wir nach der Geburt von Clara beschlossen, einige Jahre zu warten.
Stumm sah sie mich an, und langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen, was bei mir regelmäßig eine emotionale Kernschmelze auslöst.
»Eben nicht! Wahrscheinlich kann ich keine Kinder mehr kriegen. Wahrscheinlich bin ich zu dünn und zu alt!«, schluchzte sie, sprang auf und rannte ins Bad.
»Zu dünn eigentlich nicht«, murmelte ich und betete im gleichen Augenblick, dass sie meinen Kommentarnicht gehört hatte. Aber sie hatte … Frauen hören ALLES!
Kein Klopfen, kein Bitten, nicht einmal das Versprechen, mit ihr shoppen zu gehen, konnte sie nun bewegen, die Tür zu öffnen. Nicht einmal, dass ich ihr versicherte, dass sie keineswegs zu dünn und schon gar nicht zu alt sei, vermochte sie zu trösten. Im Gegenteil: Jetzt trat sie zusätzlich noch wütend gegen die Tür – keine Ahnung, was sie so in Rage gebracht hatte. Und so verbrachten Clara, unser Hund Yuma und ich den halben Nachmittag vor der Badezimmertür und versuchten, Beate mit allen möglichen Versprechen aus dem Bad zu locken.
Gegen 16:45 öffnete Bea dann doch plötzlich die Tür, rauschte an uns vorbei und meinte im Vorübergehen, als sei nichts geschehen: »Ich muss los. Hab um siebzehn Uhr einen Termin beim Friseur.« Und weg war sie. Die Stimmungsschwankungen einer Frau lassen mich immer wieder staunen.
Aber das war noch nicht alles.
Als Beate zwei Stunden später wieder nach Hause kam, antwortete sie auf meine Frage, warum sie sich denn stundenlang im Bad eingeschlossen hatte und was denn los sei, mit einem knappen »Nichts! Warum?«.
Das sind die Momente, in denen mir klar wird, dass Männer und Frauen von verschiedenen Planeten stammen müssen.
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Beate konnte anscheinend die Ungewissheit nicht mehr ertragen und hat heute Morgen, nein, um genau zu sein, heute Nacht den Schwangerschaftstest gemacht. Um ganz präzise zu sein: Sie hat neunzehn Teststäbchen bearbeitet, wenn Sie wissen, was ich meine …
Als sie sich dann sicher war, dass sie ein Baby erwartet (wahrscheinlich war bereits das erste Teststäbchen positiv), wurde ich mit einem Freudenschrei geweckt, der mit Sicherheit auch in der Nachbarschaft zu hören war.
»Wir bekommen doch ein Baby!« Kleine Pause. »Nun lieg hier nicht so rum, hol schon den Sekt! Darauf müssen wir doch anstoßen!« Nachdem ich zu dieser nachtschlafenden Zeit immer große Probleme habe, meine Augen zu öffnen, schüttelte mich Bea ungeduldig. »Ich seh schon, du freust dich gar nicht! Typisch Mann. Den Spaß wollt ihr haben, aber die Konsequenzen wollt ihr nicht mittragen!« Zu verschlafen, um zu protestieren, wankte ich in die Küche und holte eine Flasche Prosecco. Als ich ihr gerade ein Glas einschenken wollte, schüttelte Bea verärgert den Kopf und meinte nur vorwurfsvoll, dass ich doch genau wisse, dass sie in der Schwangerschaft keinen Alkohol trinken dürfe.
Egal, ich freue mich auf das Baby! Hoffentlich wird es ein Junge.
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Tagebucheintrag: 21. Dezember,
4:16 Uhr – Klinik
Das Baby ist da, und es ist ein Junge! Endlich kann in unserer Familie demokratisch abgestimmt werden. Geschlechter-Gleichstand! Wenn man den Hund nicht mitzählt …
Eins frage ich mich allerdings: Warum kommen Kinder in den meisten Fällen nachts auf die Welt? Unseren Ryan haben wir, ich kann mich gut erinnern, morgens gemacht. Überhaupt: Sollten wir uns entscheiden, noch ein Baby zu planen, sollten wir das tagsüber erledigen. Das scheint der perfekte Termin zu sein. Die Kinder (sollten Sie welche haben) sind im Kindergarten oder in der Schule, der Briefträger läutet erst ab elf Uhr, und Telefone kann man stumm schalten. Und überhaupt: Beate war während der Schwangerschaft nicht ein
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