Fummelbunker
ließ. Wir waren außerhalb der Stoßzeit und daher beinahe allein im Café, mit Ausnahme von ein paar Kellnerinnen und einem Pärchen am Tresen.
»Guten Morgen«, sagte er und breitete seine Schwimmerschultern aus. Als ich meine Achseln in die Krücken stemmte und auf ihn zukam, vergrößerte sich sein hübsches Lächeln zusehends und er legte seine makellosen Zahnreihen frei. Ich konnte es nicht erwidern. Zu groß war die Mühe, mich zwischen die Tischgruppen zu zwängen. Er kam mir zu Hilfe, räumte den Weg frei und legte seine warme Hand zwischen meine Schulterblätter, was an dieser Stelle ein paar Stromstöße in mir auslöste. Ich setzte mich an das andere Ende der Etagere.
»Ich habe mich sehr über deinen Anruf gefreut«, sagte er und lächelte über die Wurst hinweg in mein Gesicht.
Ich schürzte demonstrativ die Lippen. »Natürlich hast du das.«
Die Bedienung trat an den Tisch. Ihr Haar war schwarz und streng zur Seite gekämmt. Sie trug französische Schlaghosen aus leichtem Stoff, darunter schwarze Sportschuhe. Die weiße Ganzkörperschürze war in ihrem Nacken zusammengebunden. Als sie ihren Hals reckte, sah ich, dass das Zugband der Schürze bereits in ihren Hautfalten scheuerte. Ich bestellte ein französisches Frühstück mit Croissant und Marmelade, sie begrüßte meine Wahl mit einem herzhaften Lächeln.
»Wie geht es dir?«
»Ganz gut«, entgegnete ich und wich seinem Blick aus. Seit unserer letzten Unterhaltung war er offenbar auf Schmusekurs gepolt.
»Schön. Worüber wolltest du mit mir sprechen?« Seine Stimme verdunkelte sich ins Offizielle. Er schob sich den Fetzen einer Brötchenhälfte in den Rachen.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum warst du am Montagabend noch im Casino?«
»Ich bin einem Hinweis nachgegangen.« Er plapperte mit vollem Mund. Krümel rieselten auf seinen Teller.
»Was für einem Hinweis?«
Mit frisch gepresstem Orangensaft spülte er die Überbleibsel hinunter. »Es ging um Kwiatkowski. Du musst ihn auf den Trichter gebracht haben, für etwas mehr Gleichberechtigung bei den Schuldverschreibungen zu sorgen. Der alte Mann fühlte sich über den Tisch gezogen. Also hat er die Polizei in die Spielbank zitiert.«
Ich runzelte die Stirn. »Kwiatkowski hat dich angerufen?«
»Nicht mich. Die Sache landete bei dem Kollegen, den du in der Casinohalle gesehen hast. Er ist von der Direktion für Wirtschaftskriminalität.«
»Und du? Du bist doch beim K 11. Was hattest du da zu suchen?«
»Ich habe mich als Einsatzunterstützung gemeldet.« Seine Zungenspitze popelte zwischen den Backenzähnen herum. »Ich war viele Jahre im Dezernat für Wirtschaftskriminalität, ehe ich zum K 11 gewechselt bin.«
»Wirtschaftskriminalität.« Ich rümpfte die Nase. »Eine ziemlich große Hausnummer für so einen alten Mann.«
Er ließ meine Bemerkung in der Luft hängen. »Da ist aber noch etwas.«
Seine rehbraunen Augen suchten etwas in meinem Gesicht. Sie betrachteten meine Stirn, meine Nase, mein Kinn und schienen meine Sommersprossen zählen zu wollen. Schließlich durchbohrte ihr Blick meine Augen und ich spürte wieder dieses nervöse Kribbeln.
»Wir haben Bäckers Leiche gefunden«, sagte er.
Es war ein Schock, was mich überraschte. Ich wusste bereits, dass er tot war, aber die letzte Gewissheit riss mich dennoch ein wenig aus den Fugen.
»Wo? Wann?«, platzte es aus mir heraus.
»In Rotterdam. Ein paar Stunden nachdem wir seinen Wagen gefunden haben.«
»Was?« Ich schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und Alexanders Buttermesser fiel mit einem Scheppern hinunter. »Aber von dem Auto hast du mir schon letzten Donnerstag erzählt!«
Er beugte sich vor, um das Messer aufzuheben. Sein Aftershave trieb mir in die Nase und mein Verstand reiste in die Zeit zurück zu dem Kissen, in welches ich mein Gesicht nach unserer gemeinsamen Nacht gedrückt hatte.
»Ich weiß.«
»Warum erfahre ich das erst jetzt?«
Mit seinen Brauen formte er ein charmantes Dach über den Augen und ich verdrehte die meinigen. »Ist schon klar. Ermittlungstaktische Gründe«, spottete ich.
»Dazu kommen wir später. Zuerst möchte ich ein paar Antworten von dir.«
»Sag mir zuerst, was mit Bäcker passiert ist.«
Er schüttelte den Kopf. »Wir haben einen Deal, Esther. Meine Antworten gegen deine. Also. Wer hat auf dich geschossen?«
Ich spürte meine Eingeweide, wie sie sich zusammenzogen. »Ein Holländer.«
Alexander schien nicht überrascht. Er zeigte auf mein Bein.
Weitere Kostenlose Bücher