Fummelbunker
»Und was ist schiefgelaufen?«
Meine Wangen wurden heiß. »Ich lebe noch.«
»Wie bitte?«
Ich flüsterte beinahe. »Ich sollte tot sein. Der wollte mich umbringen.«
Die Bedienung schlich von hinten an unseren Tisch heran und brachte mir den Milchkaffee und Besteck. Sie lächelte angestrengt. Ich nahm den Kaffeelöffel auf. Meine Hand zitterte.
»Und das erzählst du mir zwischen zwei Brötchenhälften?« Aufgebracht fuhr sich Alexander mit der Hand durch die Haare und zugegebenermaßen gefiel es mir, dass er sich Sorgen um mich machte. Wenigstens einer, der die Gefährlichkeit der Lage erkannte.
»Du bist dran«, sagte ich. »Boris Bäcker.«
Er knirschte mit den Zähnen. »Bäcker ist in Rotterdam in ein Hafenbecken gefallen und ertrunken. Er hatte knappe zwei Promille Alkohol im Blut. Die Anwohner bestätigten, dass sie einen besoffenen Deutschen bei einem Spaziergang entlang der Reling gesehen haben. Singend.« Er pulte eine Salamischeibe von der Etagere. »Ein tragischer Unfall also.«
»Und damit ist die Sache erledigt?« Ich klang ein wenig pampig. Für mich bestand kein Zweifel, dass jene Anwohner von Minderhoud gekauft worden waren, um aus dem Mord einen Unfall zu machen.
»Die Sache war schon erledigt, bevor du das erste Mal in mein Büro hereinspaziert bist.«
»Ach ja? Und warum wusste da noch niemand über Bäckers Tod Bescheid?«
Die Kellnerin kam an den Tisch und stellte mir einen schnuckeligen Teller mit einem Croissant, einem Fingerhut voll Marmelade und einer Butterblume vor die Nase.
Alexander zischte: »Mach es dir nicht so einfach, Esther. Der Mann hat tagelang im Wasser gelegen. Ohne Papiere. Und dazu noch im Ausland. Wir können von Glück reden, dass die niederländische Polizei uns überhaupt den Obduktionsbericht überlassen hat.«
Mit einem fahlen Gesicht zog die Kellnerin wieder ab und ich durchstieß das Croissant mit dem Buttermesser. Flockige Krümel regneten auf den Teller. Alexanders Gesichtszüge entspannten sich etwas. »Ich bin nicht blöd, Süße. Ich weiß, dass das kein Unfall war. Aber mir will einfach nicht in den Kopf, was diese Kugel in deinem Bein zu suchen hatte.« Wieder starrte er auf meine Wade hinunter und meine Wangen begannen zu kribbeln, als ich das Wort ›Süße‹ hörte. Seit wann war ich seine Süße?
»Rede keinen Tinnef«, versuchte ich zu fauchen. »Du wusstest von Anfang an, dass ich nur auf der Suche nach Bäcker war. Und dieser ganze Scheiß wäre mir erspart geblieben, wenn du mich gleich darüber aufgeklärt hättest, dass er längst tot ist!« Ich rupfte die Hälften des Croissants auseinander und zerhackte die Butter mit dem stumpfen Messer.
»Meine Güte, Esther. Nicht einmal seine Mutter wusste von seinem Tod. Glaubst du, ich würde es dann irgendeiner Detektivin erzählen?«
Ich schmollte.
»Einer ausgesprochen hübschen Detektivin«, fügte er hinzu und lächelte. »Außerdem konntest du ja nicht wissen, welche Welle du losgetreten hast.«
»Was meinst du damit?«
Alexander lehnte sich zurück. Er sah so aus, als müsste er wie Olaf erst mal ein wenig ausholen. Ich wusste nicht, ob ich Lust darauf hatte, noch eine lange Geschichte zu hören.
»Also. Als ich noch im Dezernat 23 gesessen habe, war mir die neue Spielbank von Anfang an ein Dorn im Auge. Vom Grundstein bis zur Dachrinne stank der Laden nach Betrug. Ich habe öfter versucht, ihre Bücher einzusehen, doch es gab nie genügend Indizien, um eine Durchsuchung durchzubringen.«
Ich versuchte mich in Scheinheiligkeit. »Und was glaubst du, läuft da ab?«
Er spielte den Ball an mich zurück. »Ich denke, du weißt, wovon ich rede.«
Natürlich wusste ich, wovon er redete. Vorausgesetzt, wir hatten den gleichen Gedanken. Doch genau das war das Problem unserer Unterhaltung: Wir wussten nicht, was der andere wusste, wollten aber auch nicht zu viel von dem eigenen Wissen preisgeben. Bei ihm war es ein klassisches Vertrauensproblem. Polizeigeheimkram halt. Ich aber hatte Schiss davor, Gregor in den Knast zu schicken und früher oder später die Quittung dafür zu bekommen. Gab es für solche Fälle nicht irgendein Zeugenschutzprogramm?
Alexanders Blicke durchbohrten mich. Er wartete auf eine Reaktion und ich wusste, er würde keine Silbe mehr sagen, solange ich mich nicht dazu äußerte. Es musste sein.
»Dübel hat mich mit einem Darlehen geknebelt. Ich wollte die Jetons zurückgeben, aber er weigerte sich eisern. Irgendwann hatte er den Streit über und mich
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