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Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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Angestellte den Wagen in die Waschkabine, die kaum größer als eine Privatgarage war, und aktivierte mit einem vielversprechenden Lächeln das Bürstenkommando. Von Angst und Machtlosigkeit geplagt, zog ich mich in den Tankstellensupermarkt zurück und klapperte die Regale nach brauchbaren Hungertötern ab, nicht ohne hin und wieder über den Regalrand hinweg nach draußen zu schielen. Wasser spritzte aus der Kabine und die Motoren der Bürsten grollten wie eine hydraulische Kirmesanlage. Ich kaufte ein paar luftverpackte Salamibrötchen und riss schon die erste Packung auf, als ich aus dem Laden ging. Zwar verfolgte der Angestellte immer noch fasziniert den Waschgang, aber das Lächeln war ihm mittlerweile aus dem Gesicht gewichen. Als er mich kommen sah, gesellte sich eine Prise Schrecken hinzu.
    »Ich hole den Chef«, sagte er nur und flitzte mit leisen Sohlen an mir vorbei.
    Kein gutes Zeichen.
    Ich ließ die Salami sacken und blieb an Ort und Stelle stehen. Die Bürstenmotoren verstummten und ein paar letzte Wassertropfen segelten aus der Waschgarage. Ich hörte Schritte, die sich eilig näherten. Arbeitshosen raschelten. Der Chef ging zielstrebig an mir vorbei, stellte sich breitbeinig vor die Waschgarage, starrte in die tropfnasse Höhle und fasste sich an den Kopf. Ein, zwei Minuten lang. Erst dann winkte er den leichenblassen Angestellten her, er möge bitte den Wagen aus der Garage fahren. Der Chef rückte zur Seite und kehrte mir den Rücken. Und mit jedem Zentimeter, mit dem sich der Wagen aus der Kabine bewegte, fühlte ich das Blut nach und nach aus meinem Kopf fließen.
    Ich ging auf meinen Twingo zu. Der flatterige Lack war fortgebürstet und auf den Kotflügeln und der Motorhaube kam das althergebrachte Hustenbonbonblau wieder zum Vorschein. An den übrigen Stellen, an denen die Bürsten den blasigen Lack quasi abrasiert hatten, stach die Farbe wie Nadelstiche durch und es sah aus, als hätte man an dem Wagen seine Pickel ausgedrückt.
    Ein pubertierender Twingo. Unfassbar.
    Ich starrte auf die Windschutzscheibe und bekam nur einen Satz heraus: »Wenigstens haben Sie die toten Fliegen herunterbekommen.«
     
    Das Polizeipräsidium auf der Markgrafenstraße in Dortmund war ein roter, beige gerasteter Klinkerbau mit einer von Kopf bis Fuß verglasten Vorderfront. Faustgroße Pflastersteine waren am Fuße der Eingangstür zu Halbkreisen arrangiert, ihre Fugen akkurat ausgekratzt. Als ich die Tür öffnete, stieß ich mit einer Jugendlichen zusammen, einem Mädchen mit schulterfreiem Oberteil, knielanger Hose und rot verquollenen, wund geheulten Augen. Ich strauchelte, doch das Mädchen stand wie eine Eins und kehrte mir den Rücken zu, um der weiträumigen Präsidiumslobby einen allgemein gültigen Stinkefinger zu zeigen.
    Willkommen in Dortmund.
    Der Empfang des Präsidiums war ein räumlich nicht abgetrennter Bereich vor einem konfus ausgeklügelten Großraumbüro und lediglich durch ein an Drahtseilen aufgehängtes Hinweisschild zu erkennen. Tageslicht fiel durch die Scheiben gegen die fenstergroßen Aquarelle. Fasern des anspruchslosen rattengrauen Teppichs blieben an meinen Absätzen kleben und ich hatte das Gefühl, ich würde Löcher in den Boden reißen. Telefone dudelten in allen Ecken, das Geplapper hatte die Ausmaße einer Wartehalle am Flughafen. Ich stellte mich vor den Schreibtisch unter dem Drahtseilschild und blickte auf den Scheitel einer leger gekämmten Blondine. Sie sah hoch und lächelte mir zu. Auf ihrem Tisch stand ein aluminiumfarbenes Namensschildchen. Ich stand Frau Ruth Rosenheim gegenüber.
    »Hallo«, begrüßte sie mich. »Welches Verbrechen ist Ihnen über die Leber gelaufen?«
    Sascha hatte nicht übertrieben, was die Hemdsärmeligkeit der Dortmunder Polizei betraf.
    »Mein Name ist Esther Roloff und ich möchte mit Götz Reichert sprechen.«
    Sie lächelte duldsam und nahm den Hörer in die Hand. Währenddessen fiel ihr eine Locke in die Stirn. Sie begrüßte Götz Reichert mit dem Vornamen, meldete mich an und legte auf.
    »Er ist auf dem Weg«, sagte sie und widmete sich gleich wieder ihrem Papierkram.
    Götz Reichert war ein schnurgerader Typ ohne Kurven und Kanten und seine Hosenbeine flatterten, als er auf mich zugaloppierte. Sein blondes Haar flog im Fahrtwind eines unsichtbaren Cabrios, seine Augen schimmerten durch eine unsichtbare Sonnenbrille. Schon auf halbem Wege winkte er mir zu.
    »Hallo, Frau Roloff. Der Kollege aus Bochum, Richter, hat Sie bereits

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