Fummelbunker
verlassen sein.
Dabei wusste ich noch nicht einmal, ob dieses Benutzerkonto überhaupt zu irgendetwas taugte. Denn was auch immer das Interesse anderer geweckt haben sollte, es schien gemeinsam mit dem Laptop abhandengekommen zu sein.
Genauso, wie uns Boris Bäcker abhandengekommen war.
Ich starrte auf den Bildschirm.
Wenn jemand sich vom Erdboden verschlucken lässt, muss er Feinde haben. Und es war schon irgendwie irrsinnig sich einzugraben, obwohl man sich seiner gröbsten Schulden unlängst entledigt hatte. Dieses Verhalten ließ nur den Schluss zu, dass Bäcker noch andere Feinde fürchtete. Feinde, die auch nach seinem Laptop trachteten.
Ich dachte darüber nach, die Screenshots aus dem Kontoabfragesystem noch einmal durchzusehen und nach anderen Gläubigern zu suchen, aber ich war mir sicher, dass ich alles Wichtige bereits entdeckt hatte. Und mir kam der Gedanke, dass es in diesem Fall vielleicht gar nicht mehr um Geld ging.
Nichtsdestotrotz stellte sich ein unbehagliches Magengrummeln ein, sobald ich an das Lütgen-Casino dachte. Irgendetwas stimmte dort nicht. Und irgendetwas stimmte mit Bäcker nicht. Nicht nur, dass er ein Xenophob war; er hatte Unmengen Geld in Plastik investiert. So etwas war kein Kontrollverlust, der mit seinen örtlichen Recherchen zwangsläufig einherging. Der Mann hatte 9.000 Euro verspielt und war demgemäß nichts anderes als ein Zocker. Ein Spielsüchtiger. Und das womöglich schon über Monate, wenn nicht sogar Jahre.
In meinem Hirn drängte sich die Frage auf, ob es somit wirklich nur ein Zufall war, dass ein Charakter wie er in einer Spielhölle wie dieser ausgerechnet wegen gewalttätiger Vorfälle gegenüber säumigen Schuldnern recherchierte.
Ich widerstand dem Reflex, mir die Hand gegen die Stirn zu pfeffern. Mit einem Mal fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Boris Bäcker recherchierte nicht für einen geprügelten Zeugen. Boris Bäcker war der Zeuge.
Ich war mir ganz sicher. Und es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Ich musste wissen, wer dieser angebliche Zeuge war. Geschweige denn, ob er überhaupt existierte.
7.
Das Büro von Tozduman Securities war eine Lasagne. Die Eiseskälte, die das FCKW-Wundergerät aus den Lamellen spuckte, stand mir bis zu den Knien, während die Raumluft bis zum Hals immerhin erträglich war. Alles andere darüber war ein schwebender, unsichtbarer Backofen, mit welchem ich mehr gestraft wurde als Metin, der 20 Zentimeter kleiner war als ich. Und trotzdem schwitzte er. Seine Poren auf Nase und Stirn waren pickelartig angeschwollen und pressten ihren Schweiß in kompakten Kugeln heraus. Metin schob sich die Faust unters T-Shirt und rieb sich mit dem Stoff das nasse Gesicht ab. Ein Schmetterling aus Schweiß durchnässte die Stelle, die seine Faust bedeckte; doch noch schlimmer war der Anblick seines freigelegten Bauches, dem ich mich beim besten Willen nicht entziehen konnte. Er war einfach zu groß, zu haarig und zu gedrungen, und ihn umgab eine widerliche Faszination, wie ich sie bisher nur von Leichen kannte.
Es war halb sechs. Corinna hatte bereits Feierabend.
»Was denn, keinen Bock mehr auf Urlaub?«
»Ich bräuchte deine Hilfe.«
Er grunzte. »Was macht mein Papa?«
»Das erzähle ich dir, wenn du mir geholfen hast.«
»Schickse.«
»Saftsack!«
»Flentrine.«
Ich rollte mit den Augen. »Was ist, willst du mir nun helfen oder nicht?«
»Was willst du?«
»Deine Kontakte. Zu einem deiner Kameraden.« Bei dem Wort ›Kameraden‹ ließ ich meine Zeigefinger in der Luft zucken, um den Begriff in imaginäre Gänsefüßchen zu setzen.
Für einen Moment bekam er Glubschaugen. Dann lachte er auf. »Du willst dich mit einem meiner Kameraden zusammentun? Das gibt Sodom und Gomorrha, Baby.«
Seit wann nannte er mich ›Baby‹?
»Ich kann mich wehren. Ich habe eine Knarre«, konterte ich.
»Ja, aber die ist nicht geladen.«
»Noch nicht.«
Er sah auf die Uhr. »Musst du heute nicht zum Schießstand?«
»Ja. Gleich.«
Metin ließ sich auf seinen abgegriffenen weißen Ledersessel nieder und die Polster versanken unter seinem Hintern wie ein Furzkissen unter einem Bernhardiner. »Erzähl. Was für einen ›Kameraden‹?« Er wiederholte das Spiel mit den Gänsefüßchen, benutzte dabei aber seine kompletten Hände, sodass es aussah, als wolle er Männchen machen.
»Jemanden, der sich mit Computern auskennt. Einen Hacker.«
Wieder lachte er. »Willst du mich verscheißern? Einen Häcka?« Er ließ das
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