Fummelbunker
Papierscheibe. Der Rückstoß der Waffe war wesentlich geschmeidiger zu verkraften als jener der Browning, die mir Gregor seinerzeit unbemerkt in die Tasche geschoben hatte. Ob die Pistole allerdings tatsächlich einen Rechtsdrall hatte, vermochte ich nicht zu beurteilen, denn die Kugeln flogen querbeet über das Zielfeld. Als das Magazin leer geschossen war, schlurfte Cowboy-Rüdiger mit scheppernden Schritten an mich heran.
»Babe«, sagte er mit bäriger Stimme. »Die von der Post stellen wieder neu ein. Kein schlechter Job. Man ist viel an der Luft, man hat Bewegung.« Er schniefte. »Überleg es dir.«
Ich legte die Knarre mit offenem Schlitten auf das Ablagebrett und drehte mich zu ihm um. Seine blonden Petrylocken zwirbelten wie dünn geschälte Mandarinenschalen, sein stoischer Stierblick drang in die Tiefen meines Ausschnittes.
»Was soll ich mir überlegen?«
»Du schießt scheiße, Babe«, sagte er sanft. »Immer noch. Warum quälst du dich so?«
Empört sah ich ihn an. »Mich quälen? Das hier ist ein Sachkundelehrgang.«
Er schüttelte seinen Schopf. »Der Gedanke, dass du eines Tages eine Waffe in deiner Schublade liegen haben könntest, bedeckt mich mit Angstschweiß. Jede Nacht.« Er legte eine Hand auf meine Schulter. »Sei ein guter Mensch. Erlöse mich von meinen Ängsten.«
Dann streckte er die andere Hand aus, nahm die Glock an sich und ging. Ein paar Zentimeter weiter unter mir hörte ich den kleinen Rüdiger kichern. Ich ging Cowboy-Rüdiger nicht nach. An diesem Tag war mir ohnehin nicht nach schießen.
Die Sonne dämmerte über Querenburg und ich gurkte die Universitätsstraße entlang. Als die Motorhaube den Südring küsste, rief ich Metin an. Wir hatten noch ein paar Dinge zu klären.
»Also, hau rein, du Faxenheini«, begann er sofort. »Was ist mit meinem Papa los?«
»Er ist hinter deinem Sohn her.«
Ich hatte Schimpfe und Häme erwartet, doch Metin gab sich überraschend gefasst. »Welchem?«
»Tarek.«
»Okay«, sagte er, als würde das alles erklären.
»Ich bin also fertig damit?«
»Nickes! Ich will wissen, warum.«
»Aber ich weiß nicht, warum! Er verfolgt ihn auf seinem Schulweg bis nach Hause. Anschließend zischt er wieder ab. So lief das bis jetzt jeden Tag.«
»Mach weiter«, wies er mich nur an.
»Morgen ist Freitag, Metin. Mein Urlaub ist vorbei und unser Opa-Beschattungsdeal Geschichte.«
»Glaubst du etwa, dass ich deswegen deinen Urlaub verlängere? Nix da!«, schimpfte er und legte auf.
Ich wählte noch einmal seine Nummer.
»Was ist denn?«, pöbelte er.
»Da ist noch die Sache mit dem Kameraden. Konntest du einen Computerkenner aus der Deckung locken?«
Die Leitung knisterte und ich glaubte, ihn denken zu hören.
»Ja, konnte ich. Viktor ist vielleicht nicht der Zuverlässigste, aber er ist ein helles Kerlchen.«
»Viktor?«
»Viktor Medwedew. Du kannst ihn morgen früh anrufen. Um Punkt neun, hörst du? Nicht früher und nicht später. Ich schick dir die Nummer.«
»Warum kann ich mich nicht mit ihm treffen? Was ist, wenn ich es vergeige?«
»Mach dir nicht ins Hemd, Mann!«, blökte er. »Viktor ist gegenwärtig verhindert. Nicht mobil. Unflexibel.«
»Okay«, sagte ich karg. »Danke.«
»Ich hab außerdem was mit Ragip klargemacht.«
Mir fiel beinahe das Handy aus der Hand. Denn Ragip hatte seinerzeit meinen Wagen gestrichen.
»Er wird deine Eierkitsche morgen früh nachbessern. Kostenlos«, fügte er stolz hinzu.
»Auf gar keinen Fall!«
Das wiederum verärgerte Metin. »Hast du dir deine Scheißkarre mal angesehen?«, grummelte er.
»Ja, und das alles hab ich dir und diesem Ragip zu verdanken!«
»Treib es nicht zu weit, Perle«, schimpfte er. »Ragip nimmt die Karre morgen früh mit. Steht sie nicht da, fährt dein Arsch Kirmes. Dann werde ich den gefleckten Blechhaufen finden und höchstpersönlich in die Schrottpresse schubsen. Haben wir uns verstanden?«
»Ich versteh dich nicht«, gab ich zurück. »Warum bewegt dich dieses Auto so?«
»Warum? Die Leute lachen schon. Die lachen über mich! Und für was halten die uns? Für den Wattenscheider Lokalzirkus! Mit Mikado-Sven, Eierkitschen-Esther und Corinna, der Vampirette mit Dornröschensyndrom. Das hab ich von meinem Bruder. Langsam hab ich die Faxen dicke.«
Mein Versuch, ein Kichern zu unterdrücken, scheiterte kläglich und ich fuhr mit zitternden Armen in die Dorstener Straße ein.
»Haben wir also einen Deal?«, hakte er nach.
Ich überkreuzte die Finger auf
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