Fummelbunker
sich das Gelände als tapezierter Bunker mit einer ganzen Artillerie kleinkalibriger Kurzwaffen. Als wir die Treppe hinuntergingen, drückte ich mich die Wand entlang. Unten wiederum gab ich meine beste Vorstellung einer platten Bettwanze, indem ich meine 1,84 geschickt hinter einem Wandvorsprung versteckte. Ich wollte den Rüdigers so lange wie möglich aus dem Weg gehen.
Michael tat so, als würde er mein Versteckspiel nicht bemerken. »Welche Waffe nimmst du heute? Wie immer die 9 Millimeter?«, fragte er. »Oder doch lieber mal einen Revolver?«
Ich öffnete meine Handtasche und holte meine Glock 38 Kaliber .45 heraus. Michaels Gesicht antwortete darauf mit einer unnatürlichen Farbe.
»Woher hast du die?«
»Die habe ich geschenkt bekommen«, sagte ich mit einer angemessenen Portion Stolz.
Michael war außer sich. »Du schleppst eine Pistole in der Handtasche herum?«
Ich beschwichtigte. »Keine Sorge. Sie ist nicht geladen.«
Er sah mich an, als hätte ich einen Sprung in der Schüssel. »Und wennschon! Ohne Waffenschein bist du zum Führen einer Waffe nicht berechtigt. Auch nicht in deiner Handtasche. Oder gehörst du zu denen, die sich ihren eigenen Rechtsstaat in der Tasche halten?« Er schüttelte den Kopf. »Mann. Das ist so was von strafbar.«
Ich schluckte mühsam.
»Und wo ist die Waffenbesitzkarte für die Glock? Hast du den Schein beim Ralle beantragt?«, fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern, dann schüttelte ich den Kopf. Ich brachte keinen Ton mehr heraus.
Sein Gesicht glühte. »Soll das etwa heißen, du hast keine WBK für das Teil? Hast du hier denn gar nichts gelernt? Von wem hast du die Knarre?«
»Von meinem Chef«, gab ich kleinlaut zurück.
»Du meinst Tozduman, diesen durchgeknallten Türken?«, schnaubte er verächtlich. »Sein halbes Arsenal stammt aus einer Ladung, die irgendwann unglücklich vom Lkw gefallen ist. Wusstest du das?«
Stumm verneinte ich.
»Du bist lebensmüde, dass du dich mit dem zusammentust, Esther. Du hast was Besseres verdient.«
Ich nickte zustimmend. Ich hatte ein ›Abi ’94‹-T-Shirt verdient sowie eine weitere Chance beim physischen Einstellungstest der Polizei, aber das Leben war kein Ponyhof, wie eine Schulfreundin immer zu sagen pflegte.
»Gib sie her.«
Ich gab ihm die Glock ohne zu zögern und er legte sie unter die Theke. »Du kriegst sie nachher wieder. Und bis dahin kein Sterbenswörtchen zu den Rüdigers, klar?«
Ich stimmte schwach zu. Dabei hatte ich mich schon darauf gefreut, endlich mit meiner eigenen Knarre rumzuballern.
Michael kehrte mir den Rücken zu und begann, den angerosteten Waffensafe nach etwas Brauchbarem abzusuchen. Er kam mit einer Halbautomatik zurück, die meiner beschlagnahmten Pistole verblüffend ähnelte.
»Hier. Nimm meine. Das ist eine Glock 19C. Eine Halbautomatik mit Kompensator. Das sollte dir helfen, besser zu treffen. Sie hat einen leichten Rechtsdrall.«
Er legte sie in meine Hand. Sie war gesichert. Magazin herausgezogen, Schlitten geöffnet, mit roter Fahne markiert. Sie war so leicht wie meine 38. Sie fühlte sich lediglich ein wenig abgetragener an. Die pickelartigen Griffschalen waren abgenutzt, der Lauf verkratzt. Ein Lächeln umschmeichelte meine Lippen und als Michael dies sah, legte er nach, um ja keinen Zweifel aufkommen zu lassen.
»Wenn du noch einmal mit einer Knarre ohne WBK kommst, fliegst du raus, klar?«
Mein Lächeln erstarb sofort. Michael reichte mir ein Schächtelchen voll Munition. »Und außerdem bist du mit 20 Euro Munitionskosten im Rückstand«, monierte er.
Ich nickte eifrig, griff nach den Patronen, fischte einen adäquaten Lärmschutz aus dem Regal und stülpte mir die Gummimuscheln über. Mit einem Gefühl vakuumverpackter Ohren schlurfte ich den Gang hinunter. Den Hintern des kleinen Rüdiger sah ich bereits aus der ersten Kabine ragen. Cowboy-Rüdiger dagegen machte seinem Spitznamen alle Ehre und beschallte mit seinem Geballere den halben Hustädter Untergrund. Ich bezog zwischen den beiden Stellung, friemelte eine Zielscheibe an die Arretierung und betätigte die Bedienung. Mit einem monotonen Surren fuhr das Papier winkend in die Ferne. Ich zelebrierte das Protokoll hinunter, popelte das Fähnchen raus, füllte das Magazin und lud die Knarre durch.
»Da schau her. Unser hoch gewachsener süßer Hintern ist wieder da.«
Der kleine Rüdiger bemerkte mich zuerst. Ich tat so, als würde ich ihn nicht hören, streckte den Arm durch und feuerte planlos auf die
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