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Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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Anblick wird einem ganz anders.«
    Er schwieg mir eine Weile ins Gesicht. Eine allgemeine Unruhe machte sich breit und er begann sich die Hände zu reiben. »Also, was willst du hören?«, fing er schließlich an. »Ich weiß nichts von einem toten Nazi. Und wenn es einen gegeben hat, dann bin ich der Letzte, dem Panko so etwas erzählen würde. Also lass mich gefälligst damit in Ruhe!«
    Ich gab mich unnachgiebig. »Warum wärst du der Letzte gewesen?«
    »Weil er fünf Jahre für meinen Bruder gekriegt hat!«, brach es aus ihm heraus. »Fünf Jahre! In der Türkei hätte es so etwas nicht gegeben.«
    Ich las aus seinem Stirnrunzeln das Unausgesprochene. Er hätte Gregor angeschissen und wieder vor Gericht gebracht. Für einen toten Nazi. Ich runzelte die Stirn. »Ach, jetzt ist die Türkei wieder gut genug für dich?«
    Er stemmte die Fäuste in die Hüften. »Was meinst du?«
    »Letztes Mal wolltest du dich nicht einmal dort begraben lassen.«
    Ich beobachtete Metins Geheimratsecken, wie sie langsam erröteten. Ich wusste sofort, der Ofen war aus. Er hatte keinen Bock mehr. »Gut. Das hätten wir geklärt. Was gibt’s sonst noch? Wie lief es mit Viktor?«
    Ich gab auf. »Er wollte meine Konfektionsgröße wissen.«
    Metin lachte wissend.
    »Danke«, sagte ich kleinlaut. »Dafür schulde ich dir was.«
    »Njet. Dafür schuldest du Viktor was.«
    »Wie bitte?«
    »Wir dachten, das wäre nur fair.«
    Ich rümpfte die Nase. »Und wie soll dieser Gefallen aussehen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber du wirst es als Erste erfahren, wenn er wieder rauskommt.«
    »Lass mich raten«, mutmaßte ich. »Weihnachten?«
    Er nickte.
    »Wofür sitzt er eigentlich ein?«
    »Gewerbsmäßige Hehlerei.«
    »Und wie viel kriegt man dafür aufgebrummt?«
    »Kommt drauf an. Viktor hat drei Jahre gekriegt.«
    »Was genau hat er getan?«
    »Er hatte einen kleinen Flohmarkt in der Dortmunder Nordstadt.«
    Mir fiel die Kinnlade runter. »Sprich es nicht aus.«
    »Hab dich nicht so«, sagte er. »Die Glock war ein echtes Schnäppchen.«
     
    Ich ging vor die Tür. Dort glühte die Sonne bereits in vollen Zügen und ihre Strahlen laserten mir ins Gesicht. Ich schützte meine Augen und hielt Ausschau nach Corinna, die mit quietschenden Reifen 50 Meter weiter unten zum Stehen kam. Sie parkte vorwärts auf dem Seitenstreifen mit mehr als drei Autolängen Platz und ließ den Twingo unzählige Male auf und ab gleiten, das Lenkrad immer eine Handbreite eingeschlagen. Als ich auf ihrer Höhe war, stellte sie den Motor ab. Ich inspizierte den Lack, während sie ausstieg.
    »Das war wohl ein Satz mit x«, witzelte sie, gab mir den Schlüssel und ging.
    Wie recht sie hatte.
    Ragip hatte die frei gescheuerten Stellen Pi mal Daumen nachlackiert. Immerhin hatte er dafür einen farbechten Autolack benutzt. Dies führte allerdings dazu, dass der Wagen plötzlich zwei unterschiedliche Schwarztöne trug. Am Schlimmsten sahen die von den Waschbürsten blau rasierten Pickelchen aus, die Ragip mit etwas Lackstift saniert hatte. Mittlerweile erinnerte der punktuelle Farbunterschied an irgendeinen Ausschlag.
    Ein Gutes hatte jedoch das Ganze. Nun hatte ich Ragips Ersatzschlüssel.
     
    Gegen elf Uhr morgens war ich bereits auf dem Weg zu Kwiatkowski. Er lebte in Dortmund-Lanstrop, was mir der einzige Eintrag im Dortmunder Telefonbuch verraten hatte. Es war nicht auszuschließen, dass ich an den falschen Kwiatkowski geriet, aber bei dem exotischen Namen rechnete ich nicht damit.
    Dortmund-Lanstrop war ein Dorf mit Anschluss zu Lünen. Trotz oder gerade wegen der magischen Idylle zwischen Rehen und Radfahrern zog es die Leute zu anderen Orten; viele Häuser standen in Lanstrop leer. Daran konnten selbst die geflutete Bergsenke noch die Vorfahren Otto Graf von Lambsdorffs etwas ändern, die den Einwohnern ein 700 Jahre altes Backsteinhaus hinterlassen hatten. Ein echtes Kulturgut also. Aber mit Kultur hatten die Lanstroper nichts am Hut. Nur für ihr Ei hatten sie was übrig, einen rostenden eiförmigen Wasserturm, der sich aber, wenn man es ganz genau nahm, auf dem Gebiet von Grevel befand.
    Kwiatkowski lebte in einem 60er-Jahre-Bau mit hautfarbener Fassade und einem Haufen Glasbausteinen über dem Hauseingang. Die Fensterrahmen aus Kunststoff waren dunkelbraun, im Erdgeschoss waren die Rollläden heruntergelassen. Hinter dem Haus befand sich freies Feld. Lediglich zwei Obstbäume vermittelten den Eindruck, dass die Grünfläche zu dem alten

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