Fummelbunker
Antworten darauf gegeben zu haben. Die Polizei legte den Vorfall als Suizid ab.
Ich las den Artikel ein weiteres Mal, aber es schien keine Verbindung zu Gregor zu geben. Ein unbefriedigender Umstand, der mir ganz und gar nicht in den Kram passte. Ich begann zu wühlen, öffnete jede Datei in diesem Ordner und klickte mich durch ein Gewusel blinkender Browserfenster, bis meine Augen eckig wurden und ich Kopfschmerzen bekam. Am Rande der Schmerzgrenze stieß ich schließlich auf den Entwurf einer kleinen Novelle, in welcher chp die mangelnde Aufklärungsbereitschaft der Polizei in Bezug auf den toten Nazi anprangerte. Als Ursache der ermittlungsmüden Schmier gab Bäcker Panko zu Protokoll, einen enttarnten Expolizisten, der sich mit der Kameradschaft Westfalenfront im westlichen Dortmund alles andere als befriedet hatte und ich sah die Kuh weiter und weiter über das Eis galoppieren, je mehr ich verstand, worauf Bäcker eigentlich hinauswollte.
8.
Ich kam mir wie ein Affe im Dschungel vor, als ich mich von Straßenbahn zu Straßenbahn hangelte, um zur Voedestraße nach Wattenscheid zu gelangen, und ich war schon ordentlich durchgeschüttelt, als die Linie 302 am August-Bebel-Platz Halt machte. Von Jugendlichen mit einem 120 Dezibel lauten Entfaltungsrecht geflankt, kraxelte ich die Stufen hinunter und überquerte die Fußgängerampel. Einige hundert Meter später stieß ich schwungvoll die Bürotür der Detektei auf, und zwar mit einer derartigen Wucht, dass ich sie auf ihrem Rückflug wieder abfangen musste. Corinna saß an ihrem Schreibtisch und schob mit der Maus ein paar Solitärkarten herum, Metin hockte in seinem Sessel und spielte mit seinem Handy. Er blickte auf und gab sich von der zutraulichen Seite, doch noch ehe er etwas sagen konnte, knallte ich ihm die Glock auf den Tisch.
»Auf wen ist die registriert?«, fragte ich.
»Was weiß ich. Hab ich vom Flohmarkt.«
»Vom Flohmarkt?«
»Nicht so einem Flohmarkt.« Er zwinkerte. »Einem von der anderen Sorte.«
»Machst du das mit Absicht?«, zeterte ich. »Willst du mich in den Knast bringen?«
Er zog eine Schnute. »Wieso denkst du immer nur Schlechtes von mir?«
Corinna stöhnte auf und wir sahen zu ihr herüber. Als sie merkte, dass wir sie beobachteten, wackelte sie eifrig mit dem Kopf. »Scheißkarten. Nichts weiter.«
Metin nahm die Glock vom Tisch. »Willst du sie nicht mehr?« Er klang fast beleidigt. Aber ich hatte kein Interesse, mit ihm die Paragrafen des deutschen Waffengesetzes auseinanderzuklamüsern. Es gab ganz andere Dinge, die mir Kopfschmerzen bereiteten.
»Wo ist Gregor?«, fragte ich.
»In Holland.«
»Was macht der da?«
»Was weiß ich.« Er legte die Glock zurück auf die Tischplatte.
»Hat er einen Nazi getötet?«
Augenblicklich war es mucksmäuschenstill. Nichts bewegte sich außer Corinna, die ihre Lauscher auf Empfang drehte.
Metin sah sie an. »Blacky. Süße. Geh ein bisschen draußen spielen.«
Blacky? Süße? Corinna verdrehte ihre Augen bis zur Decke. »Das ist doch nicht dein Ernst.«
Er öffnete seine Schublade und warf ihr einen Schlüssel zu. »Fahr ein bisschen Auto.«
»Welches Auto?«, fragte sie.
Metins Blick huschte über meine Stirn. »Den Twingo«, sagte er dann. »Auf der alten Tankstelle gegenüber.«
Feixend flitzte Corinna aus dem Büro.
»Du gibst ihr meinen Twingo?«, polterte ich los.
»Nur eine Probefahrt.«
»Hast du sie schon mal fahren sehen?«
Er ging nicht darauf ein, sondern stand auf und setzte sich vor mich auf die Tischplatte, die unter seinem Gewicht aufstöhnte. »Also. Was ist los?«
»Ein halbes Jahr nach Gregors Haftentlassung fiel ein Nazi von der Erzbahnschwinge. Einer von der Westfalenfront. Was davon gehört?«
»Nein. Aber an der Chinafront ist letztens ein Sack Reis umgefallen.«
Ich glotzte ihn an.
»Was willst du?«, pöbelte er. »Soll ich jetzt trauern, oder was?«
»Es gibt Leute, die glauben, Gregor wäre es gewesen.«
»Leute erzählen viel, wenn der Tag lang ist.«
»Du kennst also das Gerücht?«
Ich sah, wie er nachdachte. Seine Schweineaugen ruckelten hin und her und sein Atem wurde flach.
»Mir will nicht in den Kopf, warum er jemanden seinesgleichen zur Strecke bringen sollte«, grübelte ich.
»Seinesgleichen?« Metin krächzte verächtlich.
»Er hat einen beschissenen NS-Reichsadler auf dem Rücken!«, erinnerte ich ihn.
»Ja, ich habe davon gehört«, sagte er.
»Davon gehört? Metin, du solltest das Monstrum mal sehen. Bei dem
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