Fummelbunker
etwas mit dem Fall zu tun hat, werde ich es Ihnen sagen.«
Damit ließ er mich gehen.
Das Spannungsmoment hielt sich in Grenzen, als Corinna und ich uns hinter dem Gebüsch, das die Schule umsäumte, auf die Lauer legten. So unauffällig wie zwei Bordsteinschwalben auf einem Kindergeburtstag lehnten wir gegen den debilen Twingo und starrten durch die Fenster der Waldorfschule. Metins Anliegen war mir scheißegal und Corinna merkte, dass noch etwas anderes in mir rumorte. Aber ich ließ mich nicht von ihr weich klopfen.
»Was ist los mit deinem Bruder?«, fragte sie.
Ich hörte sie kaum. »Was meinst du?«
»Chef erzählt, du hast dir wegen deines Bruders freigenommen. Ist der tot?«
Ich rümpfte die Nase. »Wie kommst du denn darauf?«
»Nur so. Cheffe erzählt immer, bei ihm gibt’s nur Urlaub bei Todesfällen und Knast. Und da du nicht im Knast sitzt, dachte ich an Tote.«
Gereizt sah ich sie an. Wahrscheinlich dachte sie ständig an Tote. »Lass ihn erzählen. Du kriegst doch auch Urlaub, ohne dass jemand gestorben ist, oder?«
»Ich hab ja auch einen Ausbildungsvertrag. Der muss mir Urlaub geben. Wegen der IHK.«
Ich nickte desinteressiert.
»Also, was ist mit deinem Bruder?«
Mit Erleichterung nahm ich die Schulglocke wahr und wir stiegen ins Auto. Wie von Metin versprochen, ließ sich der Corsa nicht blicken und Corinna war gespannt wie ein Flitzebogen, während sie sich ein paar transdermale Pflaster auf die Handrücken klebte. Bald würde es mit ihrer Spannung vorbei sein.
»Nur vier Stück«, beteuerte sie entschuldigend.
»Von mir aus kannst du dir mit diesem Scheißzeug einen Druckverband um den Kopf machen.«
Zugegebenermaßen war ich etwas zickig. Aber ich hatte weder Bock darauf, in Metins Privatangelegenheiten rumzuschnüffeln noch mir Corinnas Querelen anzuhören.
Tarek Tozduman ging vom Schulhof. Er trug lange schwarze Jeans und ein Camouflage-T-Shirt und ich fragte mich, wie man in solchen Klamotten diese Hitze aushalten konnte. Auf halbem Wege zum Motorroller wurde Tarek langsamer, bis er schließlich ganz stehen blieb. Aufmerksam klapperte sein Blick die Gegend ab.
»Er sucht seinen Opa«, analysierte ich blitzschnell.
Einige Sekunden später flitzte Tarek die Straße hinunter, sprang von hinten auf den Roller und zog sich den Helm über, ohne den Kinngurt anzulegen.
»Der hat es aber verdammt eilig«, sagte Corinna.
»Der will abhauen, bevor Opa kommt.«
Der Fahrer drehte den Gasgriff bis zum Anschlag und die beiden ließen eine hellgraue Abgaswolke hinter sich. Schnell ließ ich den Twingo an und hatte Mühe, ihnen zu folgen, denn der Roller rutschte wie ein geschmeidiges Silberfischchen durch die Lücken. Endlich kam etwas Fahrt in die Sache.
Wir folgten ihnen auf die Westenfelder Straße und mein Optimismus ging rapide in den Keller. Doch kurz vor der Abbiegerstraße in die Graf-Adolf-Straße ging der Roller in die Knie und bog in die Grünstraße ein.
Volltreffer.
Ich ging vom Gas und Corinna sank tiefer in den Sitz, um von Tarek nicht erkannt zu werden. Als sie vor einem kleinen Garagenpark Halt machten, fuhr ich mit 30 Sachen an ihnen vorbei.
»Scheiße«, fluchte ich und Corinna nickte.
Hier war nichts. Kein Haus, keine Parkfläche, nicht einmal ein Auto, das auf dem nicht vorhandenen Gehweg parkte. Jeder verkehrswidrige Schlenker, den ich jetzt wagte, würde die Jungs aufschrecken. Ich fuhr geradeaus. Und geradeaus. Bis in ein Industriegebiet hinein.
»Dreh um«, empfahl Corinna.
Ich bog in die Einfahrt eines Betonblocks, der nicht mehr als ein haushoher Schuhkarton war, und drehte zurück auf den Garagenkurs. Es waren gute drei Minuten vergangen, aber trotzdem drückte ich nicht auf die Tube, sondern blickte gekonnt in alle Einfahrten, als würde ich eine Straße suchen; nur für den Fall, dass Tarek mir über den Weg lief. Corinna fläzte derweil flach auf dem Beifahrersitz und stopfte sich das Haar in den Kragen.
Als wir den Garagenpark erreichten, war nichts mehr zu sehen. Kein Roller, keine Jungs. Gar nichts.
»Scheiße«, zischte Corinna. »Wo sind die hin?«
»Die können nicht weit sein. Sie haben hier gehalten. Und es gibt keine Wohnhäuser.«
»Meinst du, die sind in irgendeiner Garage?«
Ich ging vom Gas und drehte noch im Ausrollen den Zündschlüssel um. Behutsam zog ich an dem Türgriff, glitt aus dem Wagen und sah mich zehn Garagen mit mausgrauen Toren gegenübergestellt. Und sie glichen sich wie ein Karton voll sauber geputzter
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