Fummelbunker
einer schnellen Bewegung legte der Holländer eine Pistole auf das Autodach. »Such es dir aus.«
Von der Angst überwältigt, stieg der Tränenwasserpegel bis zum Anschlag und ich musste mich zusammenreißen, nicht loszuheulen. Ich kompensierte es mit geballten Fäusten und Zähneknirschen, doch mein Kopf wollte nicht so, wie ich wollte, und schüttelte sich.
Nicht gut. Gar nicht gut.
Gregor hatte mich im Stich gelassen. Ich war fassungslos, dachte ich doch, ich hätte eine überirdische Verbindung zu ihm. Ich hatte Fotos von Julia Pankowiak in den alten Schlagzeiten der Tagesblätter gesehen und die Ähnlichkeiten waren verblüffend: Sie hatte schulterlanges blondes Haar, ein wenig länger als meines, ähnlich eng stehende blaue Augen und die gleiche kurze, mit Sommersprossen bemalte Nase. Julia wollte eine Superheldin sein und die ganz große Action erleben – genau wie ich. Sie wollte BePo-Zugführerin werden, ich wollte zur Mordkommission. Doch wir scheiterten beide. Ich schlug mich seit Längerem mit dem Gedanken herum, ich könnte mir dadurch einen Vertrauensvorteil bei Gregor verschaffen, doch so wie es aussah, hatte ich mich getäuscht und er überließ mich jener Gnade Gottes, die er mir vorhin noch so großspurig angepriesen hatte.
Der Holländer zeigte sich deutlich angenervt von meinem Widerstreben und kam mit der Knarre im Anschlag direkt auf mich zu. Wie ein Kaninchen in Schreckstarre blieb ich an der Wand stehen, glotzte ihn durch einen Tränenschleier an und ließ es unkommentiert, dass er sich an meinem Anblick offensichtlich ergötzte. Energisch winkte er mich zu sich heran und ich schaffte einen Schritt vorwärts. Er lachte.
»Denkst du, ich leg dich um?«
Eigentlich wollte ich es gar nicht, aber ich nickte trotzdem. Wieder lachte er. Dann streckte er den Arm aus, packte mich unterhalb des Ellenbogens und zog mich zu sich heran.
»Mal gucken«, sagte er leise und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
Meine Nerven begannen wie eine Hochspannungsleitung zu summen. Ich spürte die Stresshormone, wie sie das Blut in meinen Adern zum Lodern brachten und ich versuchte angestrengt, einen einzigen vernünftigen Gedanken zu fassen.
Die Knarre, dachte ich und verfolgte den Weg seines Armes bis zu seiner Hand. Er trug eine Halbautomatik bei sich, ein ähnliches Gerät, wie es mir Gregor vor Ewigkeiten in die Tasche gesteckt hatte. Wieder brannten ein paar Sicherungen durch. Warum hatte er mich damals überhaupt mit dieser Knarre bedacht? Er war um meine Sicherheit besorgt. Doch jetzt war ich einem irren und, seinen geröteten Augen nach zu urteilen, zugekifften Holländer schutzlos ausgeliefert. Ich hatte keine Waffe, kein Reizgas, nicht einmal ein Telefon, um Hilfe zu rufen. Die Tränen rannen mir mittlerweile über das ganze Gesicht und ich kniff die Augen zu. Plötzlich hörte ich den Gesang eines surrenden, hochtourigen Viertakters und ich begann, aus Erleichterung wie eine Henne zu gluckern.
Die Triumph Daytona kam nur wenige Meter vor uns zum Stehen. Der zugedröhnte Käskopp nahm sich glücklicherweise die Zeit, seinen unerwünschten Besucher in Augenschein zu nehmen und nicht gleich über den Haufen zu schießen. Gregor zog den Helm ab und strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Die Züge waren scharfkantig. Er war offensichtlich sauer.
»Wer bist du? Was willst du hier?«, fragte der Holländer.
Gregor stellte sich breitbeinig auf, um die schwere Maschine im Gleichgewicht zu halten. Den Motor ließ er dabei laufen. Ich wusste nicht, ob dies ein gutes Omen war.
»Ich bin wegen der Frau hier.«
Der Holländer lachte. Dann umschlang er mit seiner Armbeuge meinen Hals. Das Gefühl kannte ich bereits, denn mir war schon öfter ein Arm um die Kehle gewickelt worden. Doch es wurde dadurch nicht angenehmer.
»Wieso? Ist das deine?«
Ich kam mir vor wie auf dem Viehmarkt.
Gregor überlegte. Viel zu lange. »Sie gehört zu mir.«
»Kommst du von Dübel?«, fragte der Holländer. »Dübel hat sie hierhergeschickt.«
»Ich weiß. Dübel wird zunehmend unsicher.«
»Dübel bringt uns nichts als Drecksarbeit!«, fluchte der Holländer und verlor dabei etwas Spucke auf meinem Hals. Ich dachte unweigerlich an Bäcker und fragte mich, ob er auch so eine Drecksarbeit war, die der Tulpenpflücker erledigen musste.
»Ich weiß. Ich kläre das mit ihm«, beschwichtigte Gregor.
Der Holländer lachte wieder und seine wackelnde Brust klopfte gegen meinen Rücken.
»Warum du?«, fragte er
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