Fummelbunker
Schotterinseln mitten auf dem Bürgersteig und Gras wucherte um die Gullydeckel auf der Straße. Das Dorf war wie ausgestorben. Lediglich ein paar alte Leute lehnten ihre Oberkörper über die Zäune. Mit einem Mal rief die Stimme aus dem Lautsprecher das Ende meiner Reise aus und ich bremste mitten auf einer Kreuzung. Ein bunter Terrier mit schütterem Fell tippelte über die Straße. Ich schaute mich um. Hier war gar nichts. Keine Kontaktperson, kein Mercedes, kein Gregor. Nur ich, und zwar in exponierter Stellung. Mit etwas Paranoia im Kopf ließ ich den Gang einrasten und parkte rückwärts in einen brachliegenden Hof ein in der Hoffnung, ein einheimischer Holländer würde mir aus Verärgerung nicht eins mit dem Besen überbraten. Ich sah auf die Uhr. Durch meine Raserei hinter der Tankstelle hatte ich trotz Kaffeepause ein paar Minuten Luft gewonnen. Nervös zupfte ich an meinen Augenbrauen, meine Nerven lagen blank und ich konnte keine Minute mehr still sitzen. Daher stieg ich aus und nahm einen tiefen Atemzug frisch gedüngter Landluft, bis ich davon husten musste.
Wo zum Teufel war Gregor?
Ich ging zur Kreuzung und lugte in jede der übrigen drei Straßeneinmündungen hinein in der Hoffnung, auf menschliches Leben zu stoßen. Doch das Einzige, was lebte, war ein Rudel holländischer Tauben, das mit lauten Flügelschlägen über den Dächern kreiste. Scheißtauben.
Mein Kopf glühte vor Lampenfieber, als ein Wagen mit holländischem Kennzeichen auf mich zukam. Langsam machte ich ein paar Schritte zurück und drückte mich an eine Hauswand, doch der Wagen fuhr einfach an mir vorbei. Irgendwann hielt ein weiteres Fahrzeug unmittelbar neben mir und ich stieß ein lautes Quieken aus. Der Typ am Steuer schüttelte den Kopf.
»Bist du aus Dortmund?«, fragte er mit niederländischem Akzent.
Ich nickte stumm und wies ihm mit dem Kinn den Weg zu meinem Dienstwagen. Er nickte ebenfalls und drehte seine Karre, ein schwarzer flacher Japaner, mitten auf der Kreuzung. Er stellte den Wagen hinter den Golf und parkte mich ein, was mir ganz und gar nicht gefiel.
Er stieg aus und kam auf mich zu.
»Haben Sie, wofür ich gekommen bin?«, fragte ich überaus professionell.
»Später«, wies er mich sofort zurecht und setzte eine schmale Sonnenbrille auf. Er war sonnengebräunt, seine dunklen Haare fielen ihm mehr faul als lässig in die Stirn. Ohne auf ein Zeichen zu warten, ging er zu dem Golf, öffnete die Beifahrertür und klappte das Handschuhfach auf. Dann nahm er die Karte aus dem Umschlag und inspizierte sie kurz.
»Esther Roloff«, sagte er mehr zu sich selbst als zu mir.
Prompt betrat eine weiße Vespa laut röhrend die Bühne und der Holländer streckte seinen Arm aus. Der Fahrer nahm die Karte entgegen.
»Eins, drei, null, eins«, brüllte der Erste in den Helm. Der Rollerfahrer nickte und die Vespa zog wieder ab.
Erneut herrschte Totenstille.
»Und jetzt?«, fragte ich.
»Jetzt warten wir.«
»Worauf? Dass Ihr Kollege das Geld vom Konto abhebt?«
Er lachte laut auf. »So viel Geld kann man am Automaten nicht abheben, Kleine.«
Ich mochte es nicht, dass er mich Kleine nannte.
»Wie viel ist denn auf dem Konto?«
Argwöhnisch zog er seine Brille von den Augen. »Du stellst zu viele Fragen.«
Angekratzt lehnte ich mich gegen die Hauswand und kickte eine Weile den Schotter vom Boden.
»Hör auf damit!«, schimpfte der Holländer und ich hielt die Füße still, auch wenn mir der Typ nicht sonderlich gefährlich vorkam. Einige Minuten später klingelte sein Handy den Soundtrack von James Bonds ›Casino Royale‹ herunter und ich musste mir wegen dieser Lächerlichkeit ein Grinsen verkneifen. Er nahm das Gespräch entgegen. Es dauerte kaum eine Minute.
»Okay«, sagte er zu mir. »Es ist alles in Ordnung, Esther Roloff.« Er wählte eine Nummer auf seinem Handy und plapperte ein paar holländische Kommentare hinein und ich nahm an, dass er mein Paket herbeorderte. Dann setzte er sich die Sonnenbrille wieder auf die Nase und öffnete die Beifahrertür des Japaners.
»Steig ein«, befahl er mir aus heiterem Himmel.
Meine Kinnlade machte sich selbstständig. »Was? Wozu? Ich muss doch etwas zurückbringen!«
»Das macht jemand von uns. Komm.«
»Warum?«
Genervt atmete er durch. »Du stellst zu viele Fragen. Das müssen wir klären.«
»Was müssen wir klären?«, fragte ich und fühlte kalten Schweiß unter den Achseln. Mittlerweile hatte ich eine Scheißangst. »Ich steige nicht ein.«
Mit
Weitere Kostenlose Bücher