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Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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fuhrwerkten an der Wunde herum. Ich zerbiss mir derweil beinahe die Lippe.
    »Ich sehe das Projektil«, kündigte er feierlich an.
    Mit einem Schlag stob eine Hitzewelle durch meine Wirbelsäule und ich fühlte, wie der spitze Fremdkörper in die Wunde eindrang. Wie ein sich immer weiter zuziehender Dornenkranz verschnürte der Schmerz meinen Wadenmuskel und ich schrie auf.
    »Halt still!«, brüllte Gregor und ich biss mir in den Handballen. Die nächste Schmerzwelle übermannte mich und ich krümmte mich, sodass meine Wange gegen den Asphalt scheuerte. Sternengeflimmer versperrte mir die Sicht und ich hatte das Gefühl, als würde ich gleich ohnmächtig werden.
    »Ich hab sie. Beweg dich nicht!« Gregor rückte sich auf den Knien zurecht und ich hörte, wie der metallene Boden der Whiskeyflasche über den Asphalt kratzte. Dann schüttete er ihren Inhalt über der Wunde aus, was in der einen Sekunde enorm kühlte, sich in der anderen jedoch in tausend Nadelstiche auflöste. Als ich mich umdrehte, begann Gregor sofort, die Wunde mit den Resten seines T-Shirts zu verbinden. Rotz lief mir aus der Nase. Gregors Hände waren flink, ich sah trotzdem, dass sie zitterten. Er richtete sich auf, beugte sich vor und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel.
    »Gut gemacht«, sagte er leise.
    Von seiner Reaktion völlig überrumpelt, sprudelten die Worte nur so aus mir heraus: »Wohnt in dieser Stadt überhaupt jemand?«
    »Die Leute hier mischen sich nicht ein.«
    Ruckartig zog er den Knoten zusammen und ein Stechen schoss durch meinen Körper.
    »Was war das überhaupt für ein Deal?«, fragte ich weiter.
    Er antwortete nicht. Stattdessen stand er auf und half mir hoch. Er zog sich die Motorradjacke über den nackten Oberkörper, ging zum Motorrad und reichte mir den Helm.
    »Setz du den auf.«
    Ich stand auf einem Bein. »Warum nehmen wir nicht das Auto?«
    »Mit der Maschine geht’s schneller. Und außerdem will ich sie hier nicht zurücklassen.«
    Ich humpelte zum Motorrad. »Trag du den Helm. Ich bin hinter dir windgeschützt.«
    Wortlos setzte Gregor den Helm auf, zog den Reißverschluss seiner Jacke zu und setzte sich auf die Sitzbank. Mühselig krabbelte ich auf den Soziusplatz. Gregor klappte das Visier hoch.
    »Schieb die Hände unter meine Jacke«, rief er mir zu. »Ich will sie am Bauch fühlen. So merke ich sofort, wenn bei dir etwas nicht in Ordnung ist. Du wirst doch nicht ohnmächtig, oder?«
    »Nein.«
    »Alles okay?«
    »Mir ist etwas mulmig zumute.« Meine Finger krochen unter seine Jacke und berührten seine nackte Haut. Postwendend zogen sich seine Bauchmuskeln zusammen.
    »Du hast ja kalte Hände!« Er schob den Seitenständer beiseite und ließ mit dem Fuß den ersten Gang einrasten. Dann drehte er den Gasgriff auf, ließ die Kupplung kommen und die Maschine schoss über die Kreuzung hinweg. Ich verschnürte mich noch enger an ihn, da ich sonst von der Sitzbank gefallen wäre.
    Er nahm den gleichen Weg zurück über die Landstraße und ich drückte meinen Kopf gegen seinen Rücken. Meine Haare flogen in alle Richtungen und peitschten gegen meine Ohren. Die Landschaft raste wie ein Film im Vorspulmodus an uns vorbei und der Krach des Motors war ohrenbetäubend. Hin und wieder ließ Gregor das Motorrad in die Kurven gleiten und ich hatte Angst, wir würden gleich umkippen. Es war nicht das erste Mal, dass ich auf einem Motorrad saß, aber als Sozia fühlte sich die Fahrt wesentlich instabiler an. Meine kalten Hände unter seiner Jacke wurden allmählich warm, die Füße schwitzten am Rande des Motors und meine Knie kühlten im Fahrtwind allmählich aus. Gregor fuhr auf die Autobahn und wurde ruckartig langsamer.
    »Alles okay?«, schrie er und ich kniff ihm als Antwort vorsichtig in den Bauch. Ich hörte, wie er mit dem Fuß in einen tieferen Gang einrastete. Die Schleuder bockte auf, er drehte an dem Gasgriff und wir schossen direkt auf den äußersten Fahrstreifen. Wie eine Langstreckenrakete flogen wir über den Asphalt und ich hatte das Gefühl, wir würden gleich abheben. Ich heftete mich an seinen Bauch. Der Motor unter uns dröhnte und die Vibrationen der Reifen jagten wie Stromschläge durch meinen Körper. Meine Wade schien derweil zu ihrer dreifachen Größe anzuschwellen, nicht zuletzt weil der Wind wie scharfkantige Gräser gegen meine Beine schlug.
    Ich kniff meine Augen zu. Ich hörte die Autos, welche wir in Lichtgeschwindigkeit überholten und wagte es nach einer Weile, wieder ein Auge zu

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