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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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auf das Kottbusser Tor zu, immer die dunkle Lederjacke von Barbara Nowack im Blick. Er schaffte es gerade noch, sie einzuholen, bevor sie den unübersichtlichen Platz betrat.
    Die Straßen rund um das Kottbusser Tor waren voller Menschen. Es war Feierabendzeit. Zahllose Pendler strömten aus den U-Bahnschächten und bahnten sich ihren Weg an den Obdachlosen vorbei, die in den Aufgängen standen und Schnaps tranken.
    Zielstrebig schritt Barbara Nowack an ihnen vorbei. Sie nahm weder Notiz von den Betrunkenen, die ihr nachriefen, noch von den türkischen Kindern, die ballspielend über den Platz liefen. Schließlich verschwand sie in einem U-Bahneingang.
    Michael gratulierte sich zu seiner Idee, ihr zu folgen. Spätestens jetzt war klar, daß dies kein gewöhnlicher Ausflug werden würde. Barbara hatte etwas vor. Er kramte in seinem Mantel, fand jedoch nichts weiter als eine Schirmmütze. Er würde Abstand halten müssen, dachte er und zog sich die Mütze ins Gesicht.
    In den gekachelten Gängen unterhalb der Erde herrschte ohrenbetäubender Lärm. Eine Gruppe Jugendlicher grölte, Besoffene stritten auf den Treppen miteinander, irgendwo bellte ein Hund. Michael kämpfte sich durch die Menschenmassen hindurch und konzentrierte sich ganz auf die junge Frau vor ihm.
    Barbara erreichte nach etwa dreißig Metern die Halle, von der aus die verschiedenen U-Bahnsteige zu erreichen waren. Suchend ließ sie ihren Blick über die Menschen zwischen den Rolltreppen und den Gängen wandern. Dann stellte sie sich neben einen Blumenladen und wartete.
    Michael zog die Mütze tiefer ins Gesicht und verschwand hinter einer Säule. Es dauerte nicht lange, bis sich Barbaras Gesicht plötzlich aufhellte. Sie hatte offenbar jemanden entdeckt. Fast unmerklich nickte sie in die Menge hinein, dann setzte sie sich wieder in Bewegung und verschwand durch einen anderen Gang hinauf zum Platz.
    Michael lief ihr eilig hinterher. Er steckte gerade noch rechtzeitig den Kopf aus dem Aufgang, um zu sehen, daß ihr ein Mann gefolgt war. Sie wurde auf dem Platz von ihm eingeholt. Er war groß und kräftig, mindestens einen Meter neunzig. Im Vorbeigehen drückte er ihr ein Paket in die Hand. Sie berührten sich nur für eine Sekunde, dann hatte er sie überholt und ging davon.
    Michael zögerte nur eine Sekunde. Dann folgte er dem Mann in die Adalbertstraße. Ein letztes Mal sah er sich nach Barbara Nowack um. Doch sie war bereits in der Menge verschwunden.
    Der Mann vor ihm bog direkt hinter einem türkischen Imbiß in einen Hinterhof. Michael blieb vor der Hofdurchfahrt stehen. Er überflog die Geschäftsschilder, die an der Wand angebracht waren: Import-Export, Lager, Galerien. Er zögerte, dann ging er hinein. Der Straßenlärm wurde leiser, das schwindende Tageslicht fiel nur gebrochen in den engen Durchgang. Vorsichtig sah er sich um. Doch es schien niemand dort zu sein.
    Als er den Mann aus dem Schatten treten sah, war es bereits zu spät. Er hat mir aufgelauert, schoß es ihm durch den Kopf. Er versuchte dem Schlag auszuweichen, doch der Mann war schneller. Er traf ihn mitten ins Gesicht. Michael taumelte zurück und stolperte über eine Betonkante. Seine Füße verloren den Halt, und sein Kopf knallte gegen die Mauer. Blut lief ihm über die Stirn, kaum daß er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Er wirbelte herum und versuchte zurückzuschlagen, doch da floß schon Blut in seine Augen. Er konnte nichts mehr sehen, schwankte und verlor die Orientierung.
    Über sich sah er einen Schatten. Der Mann holte aus und schlug wieder zu. Dieses Mal spürte Michael den dumpfen Schlag in seinem Magen. Er krümmte sich stöhnend und glaubte, sich übergeben zu müssen. Seine Schirmmütze rutschte ihm vom Kopf und segelte über das Pflaster. Mit dem Rücken fiel er gegen die Wand, dann sackte er zu Boden.
    Der Mann war noch immer über ihm. Michael sah nur undeutlich, wie er mit dem Bein ausholte. Mit seinen verbliebenen Kräften hob er schützend die Hände vors Gesicht, obwohl er wußte, daß es nichts mehr helfen würde.
    Wolfgang Herzberger blickte auf das heruntergekommene Haus in der Brückenstraße. Hinter den schmutzigen Fenstern im ersten Stockwerk regte sich nichts. Dichter Verkehr drängte sich durch die enge Straße, und vorbeikriechende LKW versperrten immer wieder die Sicht auf die Wohnung.
    Er nahm das Funkgerät und lauschte den Einsatzbefehlen, die der Leiter des Sondereinsatzkommandos seinen Kräften gab. Rungestraße – sicher.

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