Fundort Jannowitzbrücke
sonderlich viel. Er konnte geradezu sehen, wie Wolfgang den Kopf schüttelte. »Laß doch die arme Frau in Ruhe ihr Marihuana kaufen. Das geht uns nun wirklich nichts an.« Das würde er sagen.
Eine Dreiviertelstunde später bog Michael in die Richterstraße ein. Er parkte den Wagen vor dem Jugendstilhaus, in dem Barbara Nowack wohnte, und blickte hinauf zu ihren Fenstern. Doch die Vorhänge waren zugezogen. Es war nichts zu sehen.
Er drückte mehrmals auf die Klingel und wartete ab.
Schließlich bewegte sich etwas im Treppenhaus. Er sah einen Schatten, dann öffnete sich die Haustür. Ein Postbote zog sich die Uniform zurecht und ging an Michael vorbei ins Freie, ohne Notiz von ihm zu nehmen. Dann stopfte er ein paar Briefe in die große Tasche an der Lenkstange seines Fahrrads und fuhr weiter.
Michael drehte sich um. Die Tür war noch nicht ins Schloß gefallen. Mit einer schnellen Bewegung war er im Haus. Er ging hinauf und lauschte durch die Tür ins Innere von Barbaras Wohnung. Es regte sich nichts.
Unwillkürlich begutachtete er das Wohnungsschloß. Es hatte einen einfachen Bolzen. Er beugte sich vor und rüttelte leicht. Barbara Nowack schien die Tür nur ins Schloß gezogen zu haben. Sein Herzschlag beschleunigte sich.
Er sah sich im Treppenhaus um. Es war völlig still im Haus. Niemand beobachtete ihn. Er zog sein Portemonnaie heraus und betastete die Karten in den einzelnen Fächern. Der Büchereiausweis hatte die ideale Stärke. Er schob ihn sachte in den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen. Als er auf den Widerstand des Bolzens traf, rüttelte er vorsichtig an dem Knauf. Es brauchte nur zwei Versuche, dann gab das Schloß nach.
Das Team der Dritten Observationseinheit war für die Brükkenstraße eingeteilt. Karen Schipp, die im Schatten der chinesischen Botschaft in einem dunklen Dienstwagen saß, rutschte unruhig auf dem Sitz herum. Es würde ein langer Tag werden, dachte Karen. Besser, sie machte es sich ein wenig bequem.
Ihr Kollege Peter Östrich zog die Thermosflasche vom Rücksitz und reichte ihr einen Becher.
»Kopf hoch, Karen. Vielleicht bekommen wir ihn dieses Mal.«
Sie schwieg und dachte an die Observation in der Alexanderstraße zurück. Zwei Tage war das erst her. Die Aufregung im LKA über den mißlungenen Einsatz war noch längst nicht abgeflaut.
»Ich hätte schießen sollen«, sagte sie nachdenklich.
»Du hast dich richtig verhalten«, sagte Peter. »Auf die Entfernung wäre es zu gefährlich gewesen.«
Doch sie wußte es besser. Bei den regelmäßigen Schußwaffenübungen hatte sie oft genug bewiesen, wie sicher sie im Gebrauch der Waffe war. Sie wußte, daß sie den Mann getroffen hätte. Zielgenau in die Beinmuskulatur.
»Und wenn sich jemand Vorwürfe machen muß«, sagte Peter, »dann bin ich es wohl.«
»Am besten vergessen wir das Ganze.«
Doch Peter hörte nicht mehr hin.
»Karen!« flüsterte er und deutete hinaus auf die Straße. Vor dem Haus war ein Mann aufgetaucht. Er wühlte in seinen Taschen und zog einen Schlüsselbund hervor. Dann machte er sich am Schloß der Haustür zu schaffen und verschwand im Inneren.
Karen schnappte sich das Fernglas und ließ es über die Fenster im ersten Stockwerk gleiten. Tatsächlich erschien der Mann wenige Sekunden später hinter den Scheiben. Er streifte seinen Rucksack von der Schulter und stellte ihn auf die Fensterbank. Danach verschwand er aus ihrem Blickfeld und kehrte mit einem Armvoll Wäsche zurück, die er in den Rucksack stopfte.
»Wir haben nicht einmal den Sitz unter unseren Hintern angewärmt«, sagte Peter. »Und schon passiert etwas. So was ist ja mal selten.«
Karen drückte ihm das Fernglas in die Hand und griff nach dem Funkgerät. »Dritte Observationseinheit«, sagte sie. »Einsatzzentrale, bitte melden.« »Was gibt’s?«
»Wir haben eine verdächtige Person. Hat das Objekt betreten. Männlich, ca. 1,80, kurze dunkle Haare, vermutlich arabischer Abstammung, trägt Jeans und einen dunklen Mantel. Befindet sich in der Wohnung des Tatverdächtigen.«
»Handelt es sich um den Gesuchten?«
»Nein, offenbar ist es ein Freund. Er hat sich mit einem Schlüssel Zugang zur Wohnung verschafft. Erbitten Erlaubnis zur Festnahme.«
»Warte einen Moment«, sagte der Kollege in der Einsatzzentrale.
Am anderen Ende klickte es, und aus dem Funkgerät drang ein langgezogenes Rauschen.
»Der verschwindet!« rief Peter und ließ das Fernglas in die Ablage fallen.
Karen sah zum Haus hinüber. Am Fenster war
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