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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rekkless
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Zuckerguss, und das
ganze Haus roch nach Zimt und Honig, wie es sich für eine Kinderfalle gehörte.
Die Hexen hatten oft versucht, die Kinderfresserinnen aus ihrer Sippe zu
verstoßen, und vor zwei Jahren hatten sie ihnen schließlich den Krieg erklärt.
Die Hexe, die im Schwarzen Wald ihr Unwesen getrieben hatte, fristete ihr
Dasein angeblich als Warzenkröte in einem morastigen Tümpel.
    An dem
schmiedeeisernen Zaun, der ihr Haus umgab, klebten immer noch ein paar bunte
Zuckerperlen, und Jacobs Stute zitterte, als er sie durch das Tor führte. Der
Zaun eines Lebkuchenhauses ließ jeden ein, aber niemanden wieder heraus.
Chanute hatte darauf geachtet, dass das Tor bei ihrem Besuch weit offen blieb,
doch das, was ihnen folgte, machte Jacob mehr Sorge als das verlassene Haus.
Sobald er das Tor hinter Clara schloss, war das Schnippen wieder deutlich zu
hören, und diesmal klang es fast zornig. Aber wenigstens kam es nicht näher und
Fuchs warf Jacob einen erleichterten Blick zu. Es war, wie sie gehofft hatten:
Ihr Verfolger war kein Freund der Hexe gewesen.
    »Was, wenn
er auf uns wartet?«, flüsterte Fuchs.
    Ja, was dann, Jacob? Es war ihm gleich. Solange nur der
Busch, den Chanute ihm beschrieben hatte, noch hinter dem Haus wuchs.
    Will hatte
die Pferde zum Brunnen geführt und ließ den rostigen Eimer hinunter, um sie zu
tränken. Er musterte das Lebkuchenhaus wie eine giftige Pflanze. Aber Clara
strich über den Zuckerguss, als könnte sie nicht glauben, dass das, was sie
sah, wirklich war.
     
    Knusper, knusper, Knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen ...
     
    Welche
Version der Geschichte hatte Clara gehört?
     
    Da packte sie Hänsel mit ihrer dürren Hand und trug ihn in einen kleinen
Stall und sperrte ihn mit einer Gittertüre ein: Er mochte schreien, wie er
wollte. Es half ihm nichts.
     
    »Pass auf,
dass sie nicht von den Kuchen isst«, sagte Jacob zu Fuchs. Und machte sich auf
die Suche nach den Beeren.
    Hinter dem
Haus wuchsen die Nesseln so hoch, dass es aussah, als stünden sie Wache um den
Garten der Hexe. Sie verbrannten Jacob die Haut, doch er bahnte sich einen Weg
durch ihre giftigen Blätter, bis er zwischen Schierling und Tollkirschen das
fand, was er suchte: einen unscheinbaren Busch mit gefiederten Blättern. Jacob
füllte sich die Hand mit seinen schwarzen Beeren, als er Schritte hinter sich
hörte.
    Clara
stand zwischen den verwilderten Beeten.
    »Eisenhut.
Schattenblumen. Schierlingskraut.« Sie sah ihn fragend an. »Das sind alles
Giftpflanzen.«
    Offenbar
lernte sie als Studentin der Medizin auch ein paar nützliche Dinge. Will hatte
ihm schon ein Dutzend Mal erzählt, wie er ihr im Krankenhaus begegnet war. Auf
der Station, auf der ihre Mutter behandelt worden war. Als du nicht da warst, Jacob.
    Er
richtete sich auf. Aus dem Wald war wieder das Schnippen zu hören.
    »Manchmal
braucht man Gift, um zu heilen«, sagte er. »Dir muss ich das wohl nicht
erklären. Obwohl du über diese Beeren sicher nichts gelernt hast.«
    Er füllte
ihr die Hände mit den schwarzen Früchten.
    »Will muss
ein Dutzend davon essen. Bis die Sonne aufgeht, sollten sie gewirkt haben.
Überrede ihn, sich im Haus schlafen zu legen. Er hat seit Tagen kaum ein Auge
zugemacht.«
    Goyl
brauchten wenig Schlaf. Einer der vielen Vorteile, die sie Menschen gegenüber
hatten.
    Clara
blickte auf die Beeren in ihrer Hand. Sie hatte tausend Fragen auf den Lippen,
aber sie stellte sie nicht. Was hatte Will ihr über ihn erzählt? Ja, ich habe einen Bruder. Aber er ist schon lange ein Fremder für mich.
    Sie drehte
sich um und lauschte in den Wald. Diesmal hatte sie das Schnippen auch gehört.
    »Was ist
das?«, fragte sie.
    »Sie
nennen ihn den Schneider. Er traut sich nicht durch den Zaun, aber wir können
nicht wieder fort, solange er da ist. Ich werde versuchen, ihn zu vertreiben.«
Jacob zog den Schlüssel aus der Tasche, den er aus der Truhe in Chanutes
Gasthaus genommen hatte. »Der Zaun wird euch nicht wieder herauslassen, aber
dieser Schlüssel öffnet jede Tür. Ich werde ihn übers Tor werfen, sobald ich
draußen bin, für den Fall, dass ich nicht zurückkomme. Fuchs wird euch zu der
Ruine zurückbringen. Aber schließ das Tor nicht auf, bevor es hell wird.«
    Will stand
immer noch am Brunnen. Als er auf Clara zuging, stolperte er vor Müdigkeit.
    »Lass ihn
nicht in dem Zimmer mit dem Ofen schlafen«, raunte Jacob ihr zu. »Die Luft dort
beschert finstere Träume. Und pass auf, dass er mir nicht

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