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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rekkless
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nachkommt.«
    Will aß
die Beeren, ohne zu zögern. Der Zauber, der alles heilt. Schon als Kind hatte
er viel leichter an solche Wunder geglaubt als Jacob. Man sah ihm an, wie müde
er war, und er ließ sich ohne Protest von Clara in das Lebkuchenhaus ziehen.
Hinter den Bäumen ging die Sonne unter und der rote Mond hing über den Wipfeln
wie ein blutiger Fingerabdruck. Wenn die Sonne ihn ablöste, würde der Stein in
der Haut seines Bruders nur noch ein böser Traum sein. Falls die Beeren
wirkten.
    Falls.
    Jacob trat
an den Zaun und blickte in den Wald.
    Schnippschnapp.
    Ihr
Verfolger war noch da.
    Fuchs
blickte Jacob besorgt nach, als er auf die Stute zuging und Chanutes Messer aus
der Satteltasche zog. Gegen den, der da draußen wartete, halfen keine Kugeln.
Angeblich machten sie den Schneider sogar stärker.
    Der Wald
füllte sich mit tausend Schatten und Jacob glaubte, zwischen den Bäumen eine
dunkle Gestalt stehen zu sehen. Wenigstens wird
er dir die Wartezeit bis zum Morgen verkürzen, Jacob. Er schob
sich das Messer in den Gürtel und nahm die Taschenlampe aus dem Rucksack. Fuchs
lief ihm nach, als er auf den Zaun zuging.
    »Du kannst
nicht da raus. Es wird schon dunkel.«
    »Und?«
    »Vielleicht
ist er bis zum Morgen fort!«
    »Warum
sollte er?«
    Das
Zauntor sprang auf, sobald Jacob den Schlüssel in das verrostete Schloss
schob.
    Bestimmt
hatten schon viele Kinderhände vergeblich daran gerüttelt.
    »Bleib
hier, Fuchs«, sagte er.
    Aber sie
huschte nur wortlos an seine Seite und Jacob zog das Tor hinter sich zu.
     
    8
     
    CLARA
     
    D as erste Zimmer war die Kammer mit dem Ofen, aber Clara
zog Will weiter, als er durch die Tür blickte. Der enge Flur roch nach Kuchen
und süßen Mandeln, und im nächsten Zimmer hing über einem zerschlissenen Sessel
der Schal einer Frau, bestickt mit schwarzen Vögeln.
    Das Bett
stand im letzten Zimmer. Es war kaum groß genug für sie beide, und die Decken
waren mottenzerfressen, aber Will schlief schon, bevor Jacob draußen das Tor
hinter sich zuzog. Der Stein maserte ihm den Hals, wie es draußen die Schatten
des Waldes getan hatten.
    Clara fuhr
vorsichtig über das matte Grün. So kühl und glatt. So schön und schrecklich
zugleich.
    Was würde
geschehen, wenn die Beeren nicht wirkten? Sein Bruder wusste die Antwort, aber
sie machte ihm Angst, auch wenn er sich sehr gut darauf verstand, das zu
verbergen.
    Jacob.
Will hatte Clara von ihm erzählt, aber er hatte ihr nur ein Foto gezeigt, auf
dem sie beide noch Kinder gewesen waren. Jacobs Blick war schon damals so ganz
anders als der seines Bruders gewesen. Nichts von Wills Sanftheit war darin zu
finden. Nichts von seiner Stille.
    Clara
löste sich aus Wills Umarmung und deckte ihn mit der Decke der Hexe zu. Eine
Motte saß auf seiner Schulter, schwarz wie ein Abdruck der Nacht. Sie flatterte
davon, als Clara sich über Will beugte, um ihn zu küssen. Er wachte nicht auf
und sie ließ ihn allein und ging nach draußen.
    Das
kuchenbedeckte Haus, der rote Mond über den Bäumen - alles, was sie sah,
schien so unwirklich, dass sie sich wie eine Schlafwandlerin fühlte. Alles, was
sie kannte, war fort. Alles, was sie erinnerte, schien verloren. Das einzig
Vertraute war Will, aber ihm wuchs das Fremde schon in der Haut.
    Die Füchsin
war nicht da. Natürlich. Sie war mit Jacob gegangen.
    Der
Schlüssel lag gleich hinter dem Tor, wie er es versprochen hatte. Clara hob ihn
auf und strich über das ziselierte Metall. Die Stimmen der Irrlichter füllten
die Luft wie das Summen von Bienen. Ein Rabe krächzte in den Bäumen. Aber
Clara horchte auf ein anderes Geräusch: das scharfe Schnippschnapp, das Jacobs
Gesicht dunkel vor Sorge gemacht hatte und ihn in den Wald hatte zurückgehen
lassen. Wer war es, der da draußen wartete und das Haus einer Kinderfresserin
zu einem sicheren Unterschlupf machte?
    Schnippschnapp.
Da war es wieder. Wie das Schnappen metallischer Zähne. Clara wich von dem
Zaun zurück. Lange Schatten wuchsen auf das Haus zu, und sie spürte dieselbe
Angst, die sie als Kind gehabt hatte, wenn sie allein zu Hause gewesen war und
Schritte im Treppenhaus gehört hatte.
    Sie hätte
Will doch sagen sollen, was sein Bruder vorhatte. Er würde ihr nie verzeihen,
wenn Jacob nicht zurückkam.
    Er würde
zurückkommen.
    Er musste
zurückkommen.
    Sie würden
nie wieder nach Hause finden ohne ihn.
     
    9
     
    DER
SCHNEIDER
     
    Kam er
ihnen nach? Jacob ging langsam, damit der Jäger, den sie angelockt hatten, ihm
folgen

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