Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rekkless
Vom Netzwerk:
Schritte fast so lautlos
machte wie die von Fuchs. Er hatte gesehen, wie sie Männer in Disteln oder
Fische verwandelten. Die Blüten waren blau wie die Glockenblume, die Clara
gepflückt hatte, und auch das Medaillon konnte Jacob nicht gegen die Erinnerungen
schützen, die ihr Duft heraufbeschwor. Vorsicht, Jacob! Er presste die Finger auf den blutigen Abdruck, den Fuchs' Zähne auf
seinem Handrücken hinterlassen hatten.
    Schon bald
sah er das erste der Netze, die die Motten der Feen zwischen die Bäume spannen.
Zelte, dünn wie Libellenhaut, in denen es selbst bei Tag so dunkel blieb, als
hätte die Nacht sich zwischen ihnen verfangen. Die Feen schliefen nur in ihnen,
wenn die Sonne am Himmel stand, aber Jacob wusste keinen besseren Ort, an dem
er auf Miranda warten konnte.
    Die Rote
Fee. Unter diesem Namen hatte er zuerst von ihr gehört. Ein betrunkener Söldner
hatte ihm von einem Freund erzählt, den sie auf die Insel gelockt und der sich
nach seiner Rückkehr aus Sehnsucht nach ihr ertränkt hatte. Jeder kannte solche
Geschichten über die Feen, obwohl die wenigsten sie je zu Gesicht bekamen.
Manche hielten ihre Insel für das Reich der Toten, aber die Feen wussten nichts
von Menschentod und Menschenzeit. Miranda nannte die Dunkle Fee nur deshalb
Schwester, weil sie am selben Tag aus dem See gestiegen war. Wie sollte sie
also verstehen, was er dabei empfand, dass seinem Bruder eine Haut aus Stein
wuchs?
    Das Zelt
zwischen den Bäumen, das ein Jahr lang Anfang und Ende seiner Welt gewesen war,
heftete sich an Jacobs Kleider, als er sich einen Weg durch die gesponnenen
Wände suchte. Seine Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit, und er
wich überrascht zurück, als er eine schlafende Gestalt auf dem Bett aus Moos
sah, auf dem er selbst so oft gelegen hatte.
    Sie war
unverändert. Natürlich. Sie alterten nicht. Ihre Haut war blasser als die
Lilien draußen auf dem See und ihr Haar so dunkel wie die Nacht, die sie
liebte. Nachts waren auch ihre Augen schwarz, aber bei Tag wurden sie blau wie
der Himmel oder grün wie das Wasser des Sees, wenn das Laub der Weiden sich
darin spiegelte. So schön. Zu schön für Menschenaugen. Nicht berührt von der
Zeit und dem Welken, das sie brachte. Doch irgendwann sehnte sich ein Mann
danach, dieselbe Sterblichkeit, die er im eigenen Fleisch fühlte, auch in der
Haut zu spüren, über die er strich.
    Jacob zog
das Medaillon unter dem Hemd hervor und löste es von der Kette an seinem Hals.
Miranda regte sich, sobald er es neben sie legte, und Jacob trat einen Schritt
zurück, als sie im Traum seinen Namen flüsterte. Es war kein guter Traum und
schließlich schreckte sie auf und öffnete die Augen.
    So schön.
Jacob tastete nach den Bissspuren auf seiner Hand.
    »Seit wann
verschläfst du die Nacht?«
    Für einen
Moment schien sie zu glauben, dass er nur der Traum war, der sie geweckt hatte.
Aber dann sah sie das Medaillon neben sich liegen. Sie öffnete es und nahm das
Blütenblatt heraus.
    »So also
hast du dich vor mir versteckt.« Jacob war nicht sicher, was er auf ihrem
Gesicht sah. Freude. Zorn. Liebe. Hass. Vielleicht von allem etwas. »Wer hat es
dir verraten?«
    »Du
selbst.«
    Ihre
Motten schwärmten ihm ins Gesicht, als er einen Schritt auf sie zumachte.
    »Du musst
mir helfen, Miranda.«
    Sie stand
auf und wischte sich das Moos von der Haut.
    »Ich habe
die Nächte verschlafen, weil sie mich zu sehr an dich erinnerten. Aber das ist
lange her. Nun ist es nur noch eine schlechte Angewohnheit.«
    Ihre
Motten färbten die Nacht mit ihren Flügeln rot.
    »Ich sehe,
du bist nicht allein gekommen«, sagte sie, während sie das Lilienblatt zwischen
den Fingern zerrieb. »Und du hast einen Goyl hergebracht.«
    »Er ist
mein Bruder.« Diesmal ließen die Motten Jacob gewähren, als er auf sie zutrat.
»Es ist ein Feenfluch, Miranda.«
    »Aber du
kommst zur falschen Fee.«
    »Du musst
einen Weg kennen, ihn aufzuheben!«
    Sie schien
aus den Schatten gemacht, die sie umgaben, dem Mondlicht und dem Nachttau auf
den Blättern. Er war so glücklich gewesen, als es nichts sonst gegeben hatte.
Aber es gab so viel anderes.
    »Meine
Schwester gehört nicht mehr zu uns.« Miranda wandte ihm den Rücken zu. »Sie hat
uns für den Goyl verraten.«
    »Dann hilf
mir!«
    Jacob
streckte die Hand nach ihr aus, aber sie stieß sie zurück. »Warum sollte ich?«
    »Ich
musste fort. Ich konnte nicht für alle Ewigkeit hierbleiben!«
    »Das hat
meine Schwester auch gesagt. Aber Feen

Weitere Kostenlose Bücher