Funkelnde Leidenschaft
Nicht auf einer schmalen Polsterbank in einer holpernden Kutsche.«
»Aber die Zeit drängt …«
»O Hazard, ich bin so müde. Würde eine einzige Nacht so viel ausmachen?«
Sie standen in einem Alkoven bei der Kutschenstation, umgeben von St. Josephs geschäftigem Leben und Treiben. Am liebsten hätte Hazard sofort einen Wagen gemietet und die Reise fortgesetzt. Aber er sah die dunklen Schatten unter Blazes Augen, die bleichen Wangen, und so erklärte er sich bereit, ihren Wunsch zu erfüllen.
Mit der plötzlichen Umarmung hatte er nicht gerechnet, sonst wäre er ihr ausgewichen. Seit der Abreise aus New York vermied er jeden körperlichen Kontakt.
Wie weich und warm und vertraut sie sich anfühlte … Er zögerte nur kurz, ehe er sie umfing. Sofort mußte er eine heiße Sehnsucht bekämpfen.
»Danke«, flüsterte sie.
»Gern geschehen«, erwiderte er heiser. Welch ein Wahnsinn … Da stand er im hellen Tageslicht an einer belebten Ecke von St. Joseph, war auf der Flucht, schwebte in Lebensgefahr und empfand aber nur einen einzigen Gedanken – Blaze zu küssen. »Jetzt sollten wir aber gehen.«
Aber sie schüttelte entschieden den Kopf. Es war so wunderbar, endlich wieder seine Nähe zu spüren.
»Bitte, Blaze! Wir müssen uns beeilen. Hier werden uns die Verfolger sicher zu allererst suchen.« Behutsam befreite er sich aus ihren Armen.
In der Kutsche schwiegen sie. Hazards Zurückweisung war sanft, aber unmißverständlich gewesen. Gekränkt wandte sich Blaze von ihm ab. Über ihre Wangen rollten lautlose Tränen. Wie unnahbar er war … Zum ersten Mal begann sie zu zweifeln, ob es ihr gelingen würde, ihn zurückzugewinnen.
Es war eine bedrückte, blasse Ehefrau, die Hazard in einem kleinen Farmhaus nördlich von der Stadt mit Lydia Bailey bekannt machte.
»Schäm dich, Hazard!« schimpfte die Hausherrin vorwurfsvoll. »Das arme Kind fällt ja beinahe um! Wann werdet ihr Männer endlich begreifen, daß man eine Frau nicht wie ein Indianerpony antreiben darf?«
Zerknirscht zuckte er die Schultern. »Ich brauche dich eben, Lydia – damit du mich gelegentlich dran erinnerst.«
»Das kannst du zweimal sagen!« Mit ihren sechzig Jahren hielt sie sich immer noch kerzengerade und war fast ebenso groß wie Hazard. »Hol das Gepäck aus dem Wagen, und dann stärk dich. Auch du siehst ziemlich mitgenommen aus. Wo du die Teller und das Besteck findest, weißt du ja. Und das Essen steht schon auf dem Herd. Inzwischen stecke ich deine Frau ins Bett.«
»Sie wird sich doch erholen?« Nun bereute er seine Rücksichtslosigkeit.
»Natürlich, wenn sie sich ausgeruht und was Anständiges gegessen hat. Ich bringe ihr ein Tablett ins Schlafzimmer.«
Nachdem sie Blaze versorgt hatte, kehrte sie in den Flur zurück, wo Hazard immer noch an derselben Stelle stand.
»Nun, wo sind die Sachen deiner Frau? Oder hat sie keine?«
»Nein. Und ich habe nur diese Taschen. Wir – eh …«
»Schon gut. Iß erst mal. Das ist ein Befehl, Hazard.«
»Ja, danke, Lydia.« Aber er rührte sich noch immer nicht.
Eine halbe Stunde später kehrte Lydia zu ihm zurück. »So, jetzt kannst du deine Frau sehen.«
Blaze saß in einem Federbett und trug eins von Lydias schlichten Baumwollnachthemden. Pflichtbewußt nippte sie an der warmen Milch, die ihr die Hausherrin als Schlummertrunk serviert hatte.
»Fünf Minuten darfst du mit ihr reden, Hazard. Nicht länger!« Lydia wartete, bis er nickte. Dann kehrte sie in die Küche zurück, mit den gleichen energischen Schritten, die er zum ersten Mal vor zehn Jahren beobachtet hatte, als er Mr. und Mrs. Joel Bailey in einer Handelsniederlassung am Powder River begegnet war.
»Tut mir leid«, entschuldigte er sich und blieb auf der Schwelle stehen, »ich wußte nicht, wie müde du bist.«
»Schon gut.« Nervös umklammerte sie die Tasse. Warum mußten sie wie Fremde miteinander reden? »Es kam so plötzlich …«
»Fühlst du dich jetzt besser?«
»O ja.«
»Und wie geht's dem Baby?«
»Soweit ich das beurteilen kann – alles bestens.«
Sie sah rührend jung aus, wie sie da im Bett saß, von Kissen gestützt, im viel zu großen Nachthemd, das sie an den Ärmeln mehrfach hochgekrempelt hatte. Zum ersten Mal seit dem Wiedersehen in New York betrachtete er sie wieder als seine Ehefrau – nicht nur als die Mutter seines Kindes. Er trat ans Fenster und starrte in den Obstgarten, wo die Apfelbäume herbstlich rote Früchte trugen. Beging er einen Fehler, wenn er Blaze nach Montana
Weitere Kostenlose Bücher